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Berlin: Aus für Berlins „Pisa“-Nachtest

23.59 Uhr Sonntagnacht, eine E-Mail von der OECD im fernen Paris erreicht Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD).

23.59 Uhr Sonntagnacht, eine E-Mail von der OECD im fernen Paris erreicht Berlins Schulsenator Klaus Böger (SPD). Der Auftakt für die endgültige Absage des „Pisa“-Nachtests in Berlin: Drei der 33 Pisa-Teilnehmerstaaten haben beim Chef des Verfahrens, Andreas Schleicher, Bedenken gegen Berlins Vorhaben angemeldet, den bundesweiten Vergleichstest für Schulleistungen in Berlin wiederholen zu lassen. Die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit kann Berlin noch immer kein grünes Licht für die Tests geben, die doch schon am gestrigen Montag beginnen sollten.

„Wir haben den Nachtest absagen müssen, wie auch Hamburg“, berichtete Böger am Montagabend. Welche Bedenken die anderen Staaten hegen, wisse er nicht. Unklar sei auch, ob diese Zweifel in den nächsten Tagen hätten ausgeräumt werden können.

Das Ergebnis: Berlins 15-jährige Schüler müssen vor den Sommerferien nicht noch einmal über den kniffeligen „Pisa“-Fragen schwitzen. Je 25 Haupt- und Gesamtschulen der Stadt waren dafür ausgewählt worden. Zum Leistungsstand im Leseverständnis der Berliner Schüler fehlen aber nun auch Testergebnisse auf einer breiten Basis; denn in der regulären Testrunde im Jahr 2000 hatten in Berlin nur knapp 60 Prozent der ausgewählten Schüler teilgenommen. Mindestens 80 Prozent Teilnahme waren für die Wertung Voraussetzung. Am Vergleich der deutschen Bundesländer ist Berlin nun nur mit seinen Gymnasien vertreten.

„Die Absage jetzt hat rein zeitliche Gründe“, erläutert der enttäuschte Schulsenator. Ihm wären genaue Ergebnisse lieber gewesen, um Verbesserungen darauf aufzubauen. „Wir haben den ganzen Tag diskutiert, ob wir unseren Nachtest noch durchsetzen können“, erklärte Böger. Aber am 4. Juli beginnen in Berlin die Ferien. 17 Schulen hätten schon an diesem Montag getestet werden sollen. Und 50 Schulen könne man nicht in zwei Wochen unterbringen; denn viel mehr Zeit wäre dafür nicht übrig geblieben: Erst nach einem endgültigen Placet aus Paris könnten die Testbögen hergestellt werden. „Die Testhefte werden wie Banknoten gedruckt“, so Tom Stryck aus der Schulbehörde. „Man kann sie nicht einfach in der Druckerei liegen lassen. Die Geheimhaltungsauflagen sind streng.“

An der Geheimhaltung und am Ansehen des Tests hatten sich schon früher Bedenken aus dem Ausland festgemacht; denn der „Pisa“-Test ist ein geschütztes Label. Schließlich wurden Fragen und Vorgehen von hunderten internationaler Experten mehrere Jahre lang entwickelt. Wert und Wirkung des Tests hängt gänzlich von seinem seriösen Ruf ab. Hält Berlin sich denn auch streng an das vereinbarte Testinstrumentarium, lautete die Hauptfrage. Dazu gehört eine genau festgelegte Stichprobenauswahl. Außerdem müsste wieder ein ganzer Satz der kompliziert durchkomponierten und geheimen Fragen veröffentlicht werden und ist für die weitere Verwendung „verbrannt“. Allerdings wird in der Bildungsszene gemunkelt, eigentlich gehe es bei den internationalen Bedenken jetzt um eine späte Rache für Nachlässigkeiten bei der Vorbereitung des ersten Testdurchgangs.

„Das eigentlich Bittere ist, dass wir endlich die Unterstützung der Schulen für den Test gewonnen haben“, bedauert Böger. Haupt- und Gesamtschüler sind dafür überall schwerer zu gewinnen als Gymnasiasten – in Großstädten noch einmal schwerer als auf dem Land. Doch eine einfache Verschiebung des Testdurchgangs auf August oder September kam nach Bögers Worten nicht in Frage: Der innerdeutsche Vergleich wäre dann endgültig verpasst. Auch der Testzeitpunkt wäre dann, zu Schuljahresanfang, noch weniger vergleichbar als jetzt. Bei der nächsten internationalen Pisa-Runde im Jahr 2003 ist Berlin aber wieder dabei. Bärbel Schubert

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