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Berlin: Aus „Ups“ wurde Upsala

Zirkus mit Straßenkindern aus Russland zu Gast

Mit einer roten Clownsnase eiert eine Frau auf dem Einrad durch die Straßen von St. Petersburg. Ihr Publikum: Straßenkinder. Ihre Mission: sie für den Zirkus begeistern. Und es funktioniert. Ein paar Jungs bitten die deutsche Sozialarbeiterin, ihnen das Jonglieren beizubringen. Dabei fällt Astrid Schorn ab und zu ein Ball runter, sie sagt jedes Mal laut: „Ups!“ Den Kindern und Jugendlichen gefällt der deutsche Verlegenheits-Ausdruck, sie lachen jedes Mal.

Zehn Jahre später stehen einige von ihnen als Darsteller des „Zirkus Upsala“ auf der Bühne, bei einer Jubiläumstournee durch die Schweiz und Deutschland. An diesem Wochenende zeigen zehn der Kinder aus St. Petersburg ihr Stück „Nachtwächter“ im Berliner Circus Cabuwazi.

Die Sechs- bis 16-Jährigen präsentieren eine Mischung aus Zirkusprogramm und Theater. Sie kommen aus benachteiligten Familien, oft Ausreißer, die aus verschiedenen Gründen nicht daheim bleiben wollten. Wie der sechsjährige Danil. „Auftreten macht Spaß“, sagt er schüchtern. Auf der Bühne erzählt er den anderen Kindern eine Gruselgeschichte. Sie handelt vom Tod. Der will sich den Jungen holen, aber Danil bittet ihn täglich um einen weiteren Tag im Leben. „Die Geschichten sind sehr persönlich“, sagt die heutige Projektleiterin Larissa Afanaseva, die mit den Kindern das Stück entwickelt hat. Danil ist Halbwaise und wurde in einer Einrichtung des Roten Kreuzes von den „Upsalanern“ angesprochen.

Die Projektmitarbeiter suchen immer wieder nach Kindern von der Straße, die sie im Zirkus trainieren können. „Hier lernen sie, wieder an sich zu glauben“, sagt Afanaseva. Weil das immer wieder gelingt, hat „Zirkus Upsala“ bereits internationale Preise gewonnen. Allerdings hat sich die Arbeitsweise seit der Zeit geändert, als Schorn mit ihrer roten Nase die Kinder von der Straße aufgabelte, als aus „Ups“ der Upsala-Zirkus wurde. Mittlerweile gibt es eigentlich keine Straßenkinder mehr in St. Petersburg, sagt Afanaseva. Die werden von der Polizei eingesammelt und in Kriseneinrichtungen gebracht, oder zurück in die Familien. „Dann sind die Probleme der Kinder in ihren Familien allerdings nicht gelöst.“ Der Sozialzirkus sucht deshalb seine Schützlinge nicht wie früher auf der Straße, sondern in Kriseneinrichtungen und Notunterkünften. „Wir versuchen, sie auf den richtigen Weg zurückzubringen“, sagt Afanaseva. Die Kinder hätten viel Ablehnung erfahren und fühlten sich vernachlässigt. „Wir geben ihnen ihr Selbstvertrauen wieder“, sagt sie. „Unsere Philosophie lautet: Jedes Kind ist talentiert.“ Aber sie verlange als Trainerin viel, die Kinder müssten Leistung bringen. Dadurch würden sie lernen, wie sie im Leben kämpfen müssen.

Einer der Trainer ist der heute 23-jährige Sergej. Afanaseva ist besonders stolz auf ihren Vorzeigejungen. Sergej gehörte zu den Ersten, die an dem Projekt teilgenommen hatten. Mit dreizehn hat er damals am Bahnhof gebettelt. Heute studiert er. „Alle hatten ihn aufgegeben, wir nicht.“ Marianna Mamonova

Circus Cabuwazi, May-Ayim-Ufer 2 (ehem. Gröbenufer), Kreuzberg, 3./4. Juli, 15 Uhr, www.cabuwazi.de, Eintritt 4/5 Euro

Marianna Mamonova

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