zum Hauptinhalt
Letzter Schliff. Die S-Bahn wirbt Azubis mit Übernahmegarantie und den Um- und Aufstiegschancen im Bahnkonzern. Dabei arbeitet sie – schon seit DDR-Zeiten – mit Partnerschulen zusammen, um frühzeitig Nachwuchs zu fördern und Talente zu finden.

© Stefan Jacobs

Ausbildung in Berlin: Firmen kämpfen um die besten Schulabgänger

Die Jugendarbeitslosigkeit in Berlin ist hoch. Trotzdem mangelt es an qualifiziertem Nachwuchs. Die Not macht die Unternehmen erfinderisch - nicht nur bei der S-Bahn GmbH lassen sich die Personalchefs etwas einfallen.

Was für ein Zufall: Am Mittwoch kündigte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) die Schaffung von „Jugendberufsagenturen“ an, die die absurde Koexistenz von Nachwuchsmangel auf dem Arbeitsmarkt und hoher Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen sollen. Parallel präsentierte die Industrie- und Handelskammer ihre „bildungspolitische Reformagenda“ mit der Forderung, Jugendliche schneller von den Schulen in die Wirtschaft zu holen. Und einen Tag später erklärte die Bahn als einer der größten Arbeitgeber in Berlin, wie sie in Zeiten sinkender Schulabgängerzahlen den Wettbewerb um die besten Absolventen gewinnen will. Ein Blick auch auf andere Branchen zeigt, dass Personalnot sowohl die Wirtschaft als auch Behörden erfinderisch macht.

Einige der knapp 1000 Berliner Auszubildenden im Bahnkonzern lernen bei der S-Bahn. In deren Ausbildungswerkstatt in Schöneweide feilen, löten und fräsen junge Leute im Blaumann an langen Werkbänken. Mittendrin in der großen Backsteinhalle: ein Dutzend Schülerpraktikanten. Neuntklässler von Partnerschulen der S-Bahn, die hier drei Wochen probearbeiten. Einer weiß schon, dass er nach der Schule hier anfangen will: „Ich arbeite einfach gern mit Zügen.“ Andere sind noch unschlüssig; einer bekennt: „Ich habe gemerkt, dass ich handwerklich nicht so geschickt bin.“ Dass er das jetzt gemerkt hat und nicht erst beim Start einer Ausbildung, erspart sowohl ihm als auch der Bahn manchen Kummer. „Vier aus der Gruppe würde ich behalten“, sagt Ausbilder Wolfgang Kloss und bedauert, dass wieder nur ein Mädchen dabei ist: „Mädels sind immer gut: Für den Umgangston, die Fürsorge, das gemeinsame Erreichen von Zielen.“

Nach Auskunft Silke Kleins, die die Werkstatt mit mehr als 300 Azubis leitet, spricht nichts dagegen, dass Frauen die klassischen Männerberufe bei der Bahn ergreifen. Zumal die Chancen mit der Größe des Unternehmens wachsen: Wer die Werkstatt satt hat, kann sich zum Lokführer oder Fahrdienstleiter fortbilden; wer ICEs lieber mag als S-Bahnen, kann von Schöneweide nach Rummelsburg wechseln. Übernahmegarantie inklusive.

Unternehmen suchen Bewerberinnen

Junge Frauen ködern die S-Bahn und 15 weitere Berliner Unternehmen mit dem Projekt „Enter Technik“: Sechs bezahlte Praktika à zwei Monate geben Schulabgängerinnen die Chance zu einer „Tournee“ durch Unternehmen ihrer Wahl wie Daimler, Siemens und BSR. Am Ende wüssten beide Seiten viel besser als nach einem Bewerbungsgespräch, ob sie zueinander passen, schwärmt Ausbildungsreferent Michael Hallmann.

Im Wettbewerb um guten Nachwuchs stehen die Großen relativ gut da: BVG- Sprecher Markus Falkner berichtet von 2734 Bewerbern für 136 Plätze, also einem Verhältnis von 20:1. Bei Vattenfall meldet Sprecher Hannes Hönemann sogar ein Verhältnis von 30:1 im Mittel der verschiedenen Ausbildungsgänge. Hauptmotivation seien Übernahmechancen und die Qualität der Ausbildung.

Schwerer haben es kleine Unternehmen, die laut IHK dafür mit kurzem Draht zum Chef und familiärer Atmosphäre punkten. Für die IT-Branche startet die IHK das Projekt „Your Turn“, mit dem abgebrochene Informatikstudenten auf freie Ausbildungsplätze für Fachinformatiker vermittelt werden sollen.

Sonderfall öffentlicher Dienst

Das Nachwuchsproblem des öffentlichen Dienstes ist aus Sicht der Gewerkschaft Verdi dagegen ein Sonderfall. Die Engpässe resultierten nicht aus Bewerbermangel, sondern aus der Berliner Personalpolitik, unter dem demografiebedingt absehbaren Bedarf auszubilden: „Es wird extrem schwierig, bereits ausgebildete Leute zu gewinnen“, sagt Verdi-Sprecher Andreas Splanemann: „Verwaltungsfachangestellte und Beamtenanwärter gibt es nicht auf dem freien Markt.“

Dagegen klagt die Polizei, dass viele Bewerber dumm, lahm oder faul seien. Die Fähigkeiten im Bereich Social Media, Playstation-Spielen und Internetaktivitäten seien enorm; hingegen hapert es auch bei Abiturienten an den Fragen beim Einstellungstest oder beim Sporttest. Für den Herbst dieses Jahres hat die Polizei 264 Ausbildungsplätze im mittleren Dienst und 180 Stellen im gehobenen Dienst zu vergeben. Bewerben können sich Interessierte bis zum 31. Januar. Als Konkurrenz um die Besten gilt neben der Privatwirtschaft auch die Bundespolizei, die besser zahlt als die Berliner.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false