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Aktenberge sind eine Last und in keiner Behörde gern gesehen. Trotzdem wird Berlin sie nicht so richtig los.

© Monique Wüstenhagen/dpa

Ausdrucken und abheften: Warum Berlins Verwaltung bei der Digitalisierung kaum vorankommt

Ein aktueller Zwischenbericht zeigt: Bei Modernisierung und Digitalisierung tritt die Verwaltung auf der Stelle. Kritik gibt es an eigenwilligen Bezirken.

Erst die gescheiterte fristgerechte Umstellung der Behördenrechner auf Windows 10, dann der eklatante Mangel an mobilen Arbeitsplätzen sowie sicheren Breitbandverbindungen und schließlich der Wildwuchs bei der Durchführung von Videokonferenzen: Die Berliner Verwaltung tritt bei Modernisierung und Digitalisierung auf der Stelle.

Das zeigt ein am Dienstag von Senat und dem Rat der Bürgermeister behandelter Zwischenbericht zum im Mai 2019 verabschiedeten Zukunftspakt Verwaltung. Zwar sind kleine Schritte wie die Einrichtung der Akademie für Führungskräfte gemacht, viele große auf dem Weg zur einheitlichen, modernen und schnellen Verwaltung jedoch stehen noch bevor.

Die wohl größte und durch die Corona-Pandemie offensichtlich gewordene Herausforderung: Die Digitalisierung.

Nachdem die übergroße Mehrheit der mehr als 100.000 Verwaltungsmitarbeiter coronabedingt ins Homeoffice geschickt worden war, kamen ganze Ämter zum Erliegen.

Im Bericht heißt es dazu zwar: „Die außerordentlichen Herausforderungen der letzten Monate haben gezeigt, wie wichtig eine zukunftssichere und leistungsfähige Verwaltung für die Aufrechterhaltung eines funktionierenden gesellschaftlichen Miteinanders ist.“ Von dem Ziel, rund 70.000 Standrechner durch mobile Geräte zu ersetzen, ist Berlin aber noch Jahre entfernt.

Ziller: „Ernüchternde Bilanz“ des Zukunftspaktes Verwaltung

Zweite Baustelle: Die „gesamtstädtische Steuerung“, sprich stadtweite Harmonisierung von Verwaltungshandeln. Sie scheitert an Widerständen einzelner Verwaltungseinheiten.

Experten bemängeln schon länger, dass sich Behörden, vor allem in den Bezirken, zentralen Vorgaben noch zu häufig verweigern. Auch die Koordinierungstätigkeit der dafür zuständigen Senatskanzlei sei ausbaufähig, hieß es weiter.

Stefan Ziller, Sprecher für Verwaltungsmodernisierung der Grünen-Fraktion, sprach von einer „ernüchternden Bilanz“ des Zukunftspaktes Verwaltung. Zwar gebe es einzelne Lichtblicke wie das „CityLab Berlin“, eine von der Senatskanzlei geförderte Digitalwerkstatt. „Andere Projekte sind bisher aber nicht vorangekommen“, erklärte Ziller mit Bezug auf Zielvereinbarungen zwischen Senat und Bezirken.

Das Thema könne vor den Verhandlungen für den nächsten Doppelhaushalt aufrufen und an Bezirke ausgezahltes Geld künftig an Leistung gekoppelt werden, erklärte Ziller.

Amtskollege Tobias Schulze (Linke) sieht ebenfalls „viel Nachholbedarf“. Zwar seien einzelne Arbeitsprozesse verbessert, die großen Aufgaben wie Digitalisierung aber kaum vorangebracht worden.

Kontaktverfolgung mit Excel-Listen oder ähnlichen Provisorien

„Das liegt auch daran, dass die Bezirke sehr unterschiedlich auf das Thema reagieren“, erklärte Schulze und blickte dabei unter anderem auf die Gesundheitsämter. Von denen führen viele aktuell mit Excel-Listen oder ähnlichen Provisorien die Corona-Kontaktverfolgung durch.

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„Das hat uns erschreckt“, gesteht Schulze und weiß, dass aktuell erst vier von zwölf Bezirken eine adäquate Software nutzen – im Testbetrieb.

Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, erklärte am Dienstag, Corona habe gezeigt, „dass wir schneller und krisenfester sein müssen“.

Der zuständige Staatssekretär in der Senatskanzlei, Frank Nägele (SPD), räumte ein, mit den Zielvereinbarungen im Verzug zu sein. Die Prozesse zwischen Hauptverwaltung und Bezirken bezeichnete er als „optimierbar“ und kündigte an, einen Referentenentwurf für die Einrichtung eines sechsten Stadtrates in den Bezirken vorzubereiten.

Außerdem geplant: Die Stärkung der Bezirksbürgermeister. Zielvereinbarungen sollen so besser durchgesetzt werden. (mit sib)

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