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Die wichtigsten Befehle sind „Komm!“ und „Steh!“. Sagt man sie deutlich und mit Überzeugung, sind die Tiere nicht störrisch.

©  Anja Reinbothe

Ausflugstipp im Teil-Lockdown: Mit dem Esel durch Brandenburg wandern

Spazierengehen ist eine der wenigen Aktivitäten, die im Lockdown übrig bleiben. Im Brandenburgischen Schönermark geht das in tierischer Begleitung.

Zwei Erwachsene, zwei Kinder, zwei Esel. Das ist der Plan für die sonntägliche Trekkingtour, erklärt Andrea Mantik. Gleich zwei Esel? Sollten Anfänger nicht erstmal mit einem klarkommen? Das sei kein Problem. Die Tiere seien leicht zu handhaben, beruhigt Mantik. Und mit zweien gäbe es kein Gerangel unter den Kindern.

Die 52-Jährige muss es wissen, immerhin führt sie in Schönermark im Landkreis Ostprignitz-Ruppin einen Eselhof. Seit 2011 bietet sie Wanderungen mit den Huftieren an, sowohl „rund um den Kirchturm“ als auch längere Ausflüge mit Übernachtungen. Im Moment sind wegen der Corona-Pandemie nur Halbtages- und Tagestouren möglich.

Sechs Esel und zwei Maultiere wohnen auf dem Hof der Mantiks. „Esel gehören zur Pferde-Familie und Maultiere sind halb Esel, halb Pferd“, erklärt die Agrar-Ingenieurin. Losziehen mit ihnen kann man das ganze Jahr. Außer bei Schmuddelwetter, sagt Andrea Mantik: „Esel mögen kein Wasser, jedenfalls keinen Dauerregen.“

Ihre Zöglinge hat sie entweder vor dem Schlachter gerettet, oder aus schlechter Haltung. Wie Othello, der 30 Jahre allein verbringen musste. Nun trabt er über eine grüne Wiese am Rande des Hofes. „Othello ist 49 plus, blind und vergisst alles, manchmal sogar das Fressen. Deshalb darf er futtern, so viel er will.“ Mantik geht weiter über die Hofkoppeln, die nicht grün sind, sondern karg. Die Eselhofbesitzerin krault zunächst Frieda ausgiebig am Ohr. „Sie war mein erster Esel, hat Arthrose und bleibt immer 27.“

Der Rest der Herde steht auf der nächsten Koppel: Mathilde, Emil, Emma, Wilma und ihre hübsche Tochter Bertha. „Sie kam 2013 zur Welt, ist reinrassig und gezüchtet“, sagt Mantik und streichelt Berthas weißes bis apfelschimmelgraues Fell, das wie bei allen Eseln vor allem an den Ohren kuschelweich ist. Schon mehrmals wurde Bertha vom Deutschen Zuchtverband für Esel prämiert. Andrea Mantik ist Mitglied und weist darauf hin, dass das Tier keinen Senkrücken hat wie die anderen: „Weil keiner auf ihr geritten ist.“

„Esel haben kein Sättigungsgefühl und würden ständig fressen“

Die Wahl für den Ausflug fällt auf Wilma und Emma. In einem Unterstand im Innenhof, werden die Eseldamen für den Ausflug bereit gemacht. Dafür reicht Mantik Bürsten und sagt: „Ruhig schön aufdrücken. Den Eseln gefällt das.“ Gutmütig seien die Tiere, sagt Mantik, und ausgeglichen. „Wer Angst hat, Pferde zu streicheln, traut sich das bei Eseln.“

Zum Schluss werden Halfter umgelegt, Leinen befestigt und Maulkörbe. Als „Fressbremse“, erklärt Andrea Mantik. „Esel haben kein Sättigungsgefühl und würden ständig fressen.“ Sie vertragen aber nicht alles – Gras können sie nur in kleinen Mengen verdauen. Hauptsächlich ernähren sie sich von Holz, Rinde und Ästen.

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Für eine Eselwanderung sollte man dicke Kleidung, Mütze und Handschuhe dabei haben – und die richtigen Befehle kennen. „Komm!“ und „Steh!“ seien die wichtigsten, erklärt Mantik. „Die funktionieren aber nur, wenn man sie selber umsetzt.“ Wenn ein Esel nicht weiterlaufe, sei der Mensch nicht eindeutig in seinen Ansagen. Von wegen störrisch!

Für die Wanderung werden die Esel geputzt und bekommen Halfter.
Für die Wanderung werden die Esel geputzt und bekommen Halfter.

© Anja Reinbothe

Und auch schreckhaft sind die Tiere nicht, beim Wandern neben der Straße kann Autolärm sie nicht aus der Ruhe bringen. Solche Motorengeräusche sind sie gewohnt. Andere nicht, wie sich gegen Ende der Tour zeigt.

Am Anfang jeder Eselwanderung geht Andrea Mantik mit, bis Mensch und Tier sich eingespielt haben. Entlang der Dorfstraße erzählt sie, dass sie in der Noteselhilfe tätig sei und oft leidende Tiere sehe. Die richtige Haltung sei wichtig: „Esel sind keine Einzeltiere. Sie möchten einen Artgenossen und auch nicht mit Huhn oder Ziege zusammenwohnen. Oder wollen Sie das?“ Nein.

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Ist der Trott gefunden, lässt Mantik ihre Kunden allein. Eines der Kinder hat die Führung von Wilma übernommen und sichtlich Spaß dabei. Die Esel bestimmen das Tempo, das ist gemächlich: vier Kilometer pro Stunde. Es geht von der Straße, über Sand und Wiese. Kopfweiden säumen den Wegesrand. Hier und da sind Pfützen. Emma und Wilma weichen aus.

Das ideale Freizeitprogramm während der Pandemie

Eseltrekking ist ein ideales Unterhaltungsprogramm zu Corona-Zeiten. Ein Haushalt, zwei Esel und andere Passanten trifft man fast nicht. Und anstatt aber drinnen auf der Couch zu versauern, wird draußen frische Luft getankt und sich bewegt. Außerdem freuen sich die Esel über jede Streicheleinheit.

Bei einer kurzen Rast können Mensch und Tier verschnaufen.
Bei einer kurzen Rast können Mensch und Tier verschnaufen.

© Anja Reinbothe

Auf dem Rastplatz kurz vor Holzhausen dürfen sich Mensch und Tier stärken. Unter hohen Eichen werden Emma und Wilma angebunden, die „Fressbremse“ darf ab. Genüsslich futtern sie Eicheln. Andrea Mantik hat es erlaubt. Idylle pur. Wäre nur nicht das Geräusch von Motocrossrädern in der Ferne.

Und dann zeigt sich, wie schlau Esel sind. Als es zurück nach Schönermark gehen soll, bewegen sich Emma und Wilma keinen Zentimeter und spitzen die großen Ohren. Es ist ihr wichtigstes Sinnesorgan und ein Frühwarnsystem, wenn Gefahren lauern, wie jetzt eine nahende Motocrossmaschine.

Kennen die Esel das Geräusch nicht? Genau so sei es, bestätigt uns später die Besitzerin. Sobald das Motorrad davongerauscht ist, trotten unsere zwei Esel weiter, als wäre nichts gewesen. 90 Euro kostet die Halbtagestour für Paare und Familien bei „ia-Eseltrekking“ in Stüdenitz-Schönermark (Ostprignitz-Ruppin). Ein Tagesausflug kostet 199 Euro – für ein bis fünf Personen. Hier finden Sie Informationen zur Anmeldung.

Anja Reinbothe

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