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Berlin: Ausgeschlafene Touristen

Von Jörg-Peter Rau Von den Ravern aus aller (englischsprachigen) Welt war beim Gottesdienst nichts zu sehen. Bei der katholischen Messe in der Akademie-Kirche St.

Von Jörg-Peter Rau

Von den Ravern aus aller (englischsprachigen) Welt war beim Gottesdienst nichts zu sehen. Bei der katholischen Messe in der Akademie-Kirche St. Thomas von Aquin in Mitte sitzen zwar ein paar junge Leute, Amerikaner offenbar, aber die sehen so ausgeschlafen aus, dass sie wohl kaum die Nacht durchgetanzt haben. Aber trotzdem wird in den Fürbitten beim englischsprachigen Touristengottesdienst auch der Besucher gedacht und für eine sichere Heimkehr gebetet. Die zwei dutzend Kirchgänger lächeln kurz, doch dann geht es zurück ins Innere des christlichen Glaubens.

Bei den Messen an diesem Sonntag wird in aller Welt das Gleichnis vom Sämann (Matthäus 13,1-9) verkündet.

Es ist die Geschichte von der Aussaat, die teils auf felsigen Grund, Dornen oder staubige Wege fällt und nur in Teilen auf den fruchtbaren Boden. Dazu passt gut die erste Lesung (Jesaja 55,10-11), in der es auch um eine Metapher geht: Wie der Regen nicht zum Himmel zurückkehrt, so bleibt auch Gottes Wort unter den Menschen und beginnt dort zu wirken.

Für Pater Josef Rohrmayer aus dem Afrika-Center der Weißen Väter sind das immer wieder dankbare Bibelstellen. So kann er die biblischen Gleichnisse mit der Weisheit afrikanischer Völker vergleichen, bei denen er jahrzehntelang gelebt hat. Und darstellen, dass es eine inhaltliche und formale Verbindung nicht nur zwischen Altem und Neuem Testament, sondern auch mit den Kulturen rund um Israel herum gibt.

Wer nur die Gleichnisse gehört habe, sagt Rohrmayer, kenne die Quintessenz der christlichen Botschaft. Und weil diese Texte so wichtig sind, habe Christus sie so verkündet, dass jeder sie verstehen könne – ob aus eigener bäuerlicher Anschauung, aus Gelehrsamkeit, mit der Weisheit des Alters oder kindlicher Naivität.

Doch das Gleichnis vom Sämann, predigt er weiter, hat zwei besondere Facetten. Einerseits stelle es die Botschaft selbst auf den Prüfstand, indem es akzeptiert, dass sie eben nicht immer auf fruchtbaren Boden falle.

Und sie werde der Unvollkommenheit der menschlichen Natur gerecht: In jedem Leben gebe es Momente, in denen das Evangelium in den Christen aufgeht – aber auch solche, in denen es zunächst nichts zu bewirken scheint. Und das, sagt Rohrmayer nachdenklich, sei auch für seine Arbeit als Missionar in Afrika immer eine gute Gewissheit gewesen.

So haben also auch die Raver, die nach der durchgetanzten Nacht nicht zum Touristengottesdienst kommen, erst einmal noch nichts zu bedeuten.

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