zum Hauptinhalt

Berlin: Ausprobiert: Hinter den Kulissen der Gemäldegalerie Besuchszeit in der Bilderklinik Folge 3 Der perfekte Tag für Kulturbeflissene

Urlaub, aber keine Chance zu verreisen? Freizeit, aber keine Idee, was man unternehmen könnte? Da hilft unsere Serie weiter: Wir bieten zweimal pro Woche das ideale Tagesprogramm – für jeden Typ. Sie suchen aus, was Ihnen Spaß macht – und können auch noch gewinnen

DER PERFEKTE TAG

Gisela Helmkampf gibt nicht auf. Da ist dieses Bild, gemalt von Wilhelm Kalf im Jahre 1643. Ein „Stilleben mit Pilgerflasche“ soll es einst gewesen sein – doch dunkle Schatten überziehen fast seine gesamte Fläche, alle Leuchtkraft und Delikatesse ist verschwunden. „Das ist eigentlich kein Bild mehr“, urteilt Frau Helmkampf. Und versucht dennoch, es wiederzuerwecken, die Spuren der Zeit zu tilgen. Wenn sie nicht weiter kommt, lässt sie es für ein paar Monate liegen. Und fängt aufs Neue an. Eines Tages soll wieder ein Bild daraus geworden sein.

Die Restaurierungswerkstätten der Gemäldegalerie sind tatsächlich ein Jungbrunnen – einer für Gemälde. Die Restauratorinnen lassen Farben wieder leuchten, kitten Risse, ersetzen zerschlissene Leinwand, flicken Löcher und – unvermeidlich – malen das Bild in Teilen nach. „Wie Musiker, die das Werk eines anderen spielen“, sagt Gisela Helmkampf – nur, „dass wir keinen zweiten Versuch haben, wenn wir einen Fehler machen.“

Entsprechend gehen sie zu Werke: mit haarfeinen Pinseln, zarten Spachteln und Schabern, Tupfern aus Watte, die auf Schiebewagen in der Werkstatt griffbereit stehen. Die Hand, die den Pinsel hält, ruht sicher am Malstock, der vor dem Bild befestigt ist. Das Werk wird nicht berührt. Nicht breiter als eine Bleistiftspitze sind die dunkelgrünen Striche, die Helmkampfs Kollegin Ute Stehr auf das etwas hellere Grün eines gemalten Tuches setzt, um dessen Faltenwurf hervorzuheben. So wie es 1526 der Raffael-Nachfolger Girolamo Marchesi da Cotignola getan haben muss – oder wenigstens beinahe so: nach bestem Wissen und Gewissen.

Im Stockwerk darunter: das Fotolabor. Ein leichter Ozon-Geruch hängt in der Luft. Hier gibt’s vor der Therapie die Bestrahlung. Mit Röntgen-, UV- und Infrarotstrahlen werden die Bilder durchleuchtet. Sie machen die Struktur des Holzes sichtbar, die Übermalungen. Sogar die Zeichnung, die einem Gemälde zugrunde liegt, tritt tief unter den Farbschichten zutage. Der Besucher kann tatsächlich in die Geschichte der Bilder eintauchen – ähnlich, wie die Restauratorinnen am Anfang ihrer Arbeit.

Bewahrt aber wird die Geschichte der Bilder im Unterbauch des Museums, im Keller. Hüfthohe Stahlschränke bergen tausende Karteikarten, für jedes der rund 3000 Werke mehrere, und Bestandsverwalter Peter Scheel kann von jedem einzelnen sagen, wo es gerade hängt, wann es restauriert oder wohin es verliehen wurde.

Zugleich besitzt er den Schlüssel zu einem Raum, der für die Zukunft der Bilder gebaut wurde – und von der Geschichte des Museums selber spricht: dem Atombunker. Die Pläne für das Gebäude, so erzählt er, reichen zurück in die Zeit vor der Wende. Heute dient der Schutzraum als riesige Abstellkammer.

Doch auch eine Schatzkammer kann Scheel zeigen, wenn auch eine traurige: das Depot. Rund 1200 Bilder, gehängt auf Stahlgitter-Schiebewände. Darunter wahre Herrlichkeiten – doch so zerschunden, dass sie nicht ausstellbar sind. Sie warten im Dämmerlicht des Depots. Darauf, dass jemand kommt, sie irgendwann wieder zu Bildern zu machen.

Lust auf einen Blick hinter die Kulissen der Museen am Kulturforum Potsdamer Platz? Dann melden Sie sich schnell an zu den kostenlosen Führungen am 20.7. (siehe unten): heute, Freitag, 10-18 Uhr, Tel. 2662951.

Holger Wild

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false