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Zahlreiche Botschaften in Berlin werden dauerhaft von der Polizei bewacht.

© dpa

Ausschreitungen wegen Islam-Film: Botschaftsschutz bringt Polizei in Nöte

Ausländische Vertretungen in Deutschland fordern wegen der Entwicklungen in der arabischen Welt eine bessere Bewachung. Innenexperten erwarten eine neue Gefährdungsanalyse – und fordern mehr Geld vom Bund.

Durch die Entwicklung in der arabischen Welt kann die Polizei die Bewachung der Botschaften und ausländischen Vertretungen in der Hauptstadt kaum noch gewährleisten. Jetzt haben auch noch die USA angekündigt, ihre Botschaften weltweit noch besser sichern lassen zu wollen. Dem Vernehmen nach soll in dieser Woche die Gefährdung in Berlin neu bewertet werden.

Doch schon jetzt fehlen Beamte, um alle ausländischen Vertretungen wie von den Ländern gewünscht zu bewachen: Nach Informationen des Tagesspiegels werden derzeit 62 Objekte „stationär“ – also dauerhaft – und 577 „mobil“ von der Berliner Polizei geschützt. Dazu war Anfang 2012 ein Personalbedarf von 1237 Mitarbeitern des polizeilichen Objektschutzes errechnet worden. Knapp 500 Angestellte sind allein für die stationäre Bewachung der wichtigen Botschaften eingeplant – doch seitdem ist die Lage in vielen Staaten eskaliert.

Beispiel syrische Botschaft in Tiergarten: Im Oktober 2011 war es zwei Dutzend Syrern gelungen, die alte Villa an der Rauchstraße zu stürmen, da diese nur minimal gesichert war. Seitdem stehen rund um die Uhr zwei Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei vor dem Haus, eingesetzt sind etwa ein Dutzend Beamte. Auch an anderen Botschaften werden Polizisten eingesetzt, weil es zu wenige Objektschützer gibt. „Die Polizisten fehlen dann an anderer Stelle“, sagte Michael Purper, der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP).

Bildergalerie: Ausschreitungen in der arabischen Welt - und die Reaktionen

Nach Berechnungen der Gewerkschaft fehlen im Objektschutz insgesamt 230 Beschäftigte. „Damit steht dieser Bereich vor dem personellen Kollaps“, sagte Purper. Nach Angaben von Innensenator Frank Henkel (CDU) hatte es im Februar dieses Jahres insgesamt 353 685 Überstunden beim Objektschutz gegeben. Diese Zahl dürfte seitdem weiter angewachsen sein. Fünf Jahre zuvor waren nur 80 000 Überstunden verzeichnet. Trotzdem hatte der Senat bei den Haushaltsberatungen beschlossen, 2,4 Prozent der Stellen beim Objektschutz und der Gefangenenbewachung einzusparen.

Die steigende Zahl der Staatsbesuche stellt die Berliner Polizei vor zusätzliche Herausforderungen.

Wegen der steigenden Schutzaufgaben müsse die Polizei seit April 2011 beim Objektschutz aushelfen, sagte Purper – selbst Wasserschutzpolizisten wurden schon vor Botschaften gesichtet. Eigenmächtig abziehen kann Berlin die Polizisten nicht, denn nach dem international geltenden Wiener Abkommen muss ein Land die Sicherheit der Botschaften gewährleisten. Zudem hat sich Deutschland in einem Staatsvertrag verpflichtet, alle jüdischen Einrichtungen zu schützen. Ferner wurde die Bewachung des Reichstagsgebäudes und der Wohnungen einiger Bundespolitiker übernommen, zum Beispiel die von Kanzlerin Merkel.

Vom Bund bekommt Berlin dafür 60 Millionen Euro pro Jahr. 2008 hatte der damalige Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Vertrag mit dem Bund abgeschlossen. Die Summe reicht aber, wie berichtet, bei Weitem nicht aus. 2008 wurden tatsächlich 105 Millionen für die sogenannten hauptstadtbedingten Sonderaufgaben aufgewendet, 2011 waren es 113 Millionen. Der Vertrag läuft noch bis 2017. Wegen des steigenden Defizits und der „veränderten politischen Großwetterlage“ hatte Innensenator Henkel angekündigt, mit dem Bund um mehr Geld zu verhandeln. Dieses Ansinnen hatte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) unter Verweis auf den laufenden Vertrag zurückgewiesen: Es bestehe nicht die Absicht, die Summe aufzustocken, hieß es knapp.

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Der Innenexperte der Berliner CDU, Peter Trapp, hegt jetzt die Hoffnung, dass der Bund angesichts der aktuellen Entwicklung die Summe doch noch erhöht. „Die Situation ist heute eine ganz andere als bei Vertragsabschluss“, sagte Trapp. Er verweist auch auf die steigende Zahl der Staatsbesuche. Allein durch die Euro-Krise seien ständig als gefährdet eingestufte Minister und Präsidenten zu Verhandlungen in Berlin.

Wie es gestern im Polizeipräsidium hieß, sei die US-Botschaft am Pariser Platz schon durch ihre Bauweise sehr sicher. Damals waren Behrenstraße und Ebertstraße verlegt worden, um mehr Abstand von der Fahrbahn zu gewinnen, zudem wurden massive Betonpoller in die Gehwege gesetzt. Dies schützt vor Anschlägen mit Sprengstoffautos – aber nicht gegen aufgebrachte muslimische Demonstranten. Als die Mohammed-Karikaturen des dänischen Zeichners Kurt Westergaard 2006 für Proteste in der arabischen Welt gesorgt hatten, waren in Berlin hunderte Beamte während mehrerer Demonstrationen zum Schutz der dänischen Botschaft eingesetzt. Damals hatten sich nach Angaben der Polizei keine gewaltbereiten Moslems an den Protesten beteiligt. Darauf will sich heute niemand mehr verlassen. Im Mai hatten Salafisten bei Protesten gegen die Karikaturen in Bonn die Polizei angegriffen und mehrere Beamte schwer verletzt.

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