zum Hauptinhalt

Berlin: Ausstellung erinnert an die Wende in Prenzlauer Berg

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer ist das, was damals geschah, schon fast "historisch". Es fällt schwer sich zu erinnern, was im Bezirk mit Berlins meisten Altbauten 1989 eigentlich geschah.

Zehn Jahre nach dem Fall der Mauer ist das, was damals geschah, schon fast "historisch". Es fällt schwer sich zu erinnern, was im Bezirk mit Berlins meisten Altbauten 1989 eigentlich geschah. Selbst die Beteiligten wissen das mitunter nicht mehr. Bei Recherchen für die aktuelle Ausstellung "Die Zeit ist reif... Prenzlauer Berg 1989 / 90" im Prenzlauer Berg Museum ließ sich beispielsweise etwa die Entstehung des Logos für das Neue Forum nicht mehr rekonstruieren. Das einstige Grau der Fassaden ist immerhin durch ein tonloses Video eindrucksvoll dokumentiert.

"Die Zeit ist reif ..." ist eine atmosphärisch dichte Ausstellung. Sie behandelt den Zeitraum von den Kommunalwahlen im Mai 1989 bis zur Währungsunion im Juli 1990. Drei Abteilungen erzählen von den Veränderungen dieser Zeit, dokumentieren Hoffen, Wollen und Sehnsucht vieler Menschen in Prenzlauer Berg. Stationen politischer und wirtschaftlicher Stagnation zunächst, Beispiele für Zivilcourage, etwa das Engagement der Bewohner der Oderberger Straße für die Erhaltung ihres Viertels, und Versammlungen der Opposition in der DDR.

Die illegalen Videoaufnahmen eines ungarischen Filmteams zeigen Szenen der Polizeiübergriffe am Rande des 40. Jahrestages der Gründung der DDR am 7. und 8. Oktober 1989 an der Schönhauser Allee, bis der Film plötzlich abbricht; das beschlagnahmte Filmmaterial fand sich erst nach Erstürmung der Zentrale des Staatssicherheitsdienstes am 15. Januar 1990 wieder. Ein nachgestellter Tisch illustriert im zweiten Bereich die Gespräche am Runden Tisch aber auch die Transformation der gesellschaftlichen Organisationen und Parteien. Am Ende steht schließlich drittens die Frage nach dem Umgang der Menschen mit der neuen gesellschaftlichen Realität.

"Die Zeit ist reif ..." setzt auf viele Medien. Immer wieder Fotos, deren Existenz sich als geradezu unverzichtbar erweist: Eines zeigt die Bürgerrechtlerin Jutta Seidel, wie sie das offizielle Schreiben über die Anmeldung des Neuen Forums am 9. November 1989 im Hof des Hauses Fehrbelliner Straße 91 vor der Presse verliest. Zu Gehör gebrachte Tagebuchnotizen erzählen von Manipulationen bei der Kommunalwahl, eine Sequenz im Ostfernsehen zeigt Politiker im Gespräch mit Arbeitern, Stadtteilpläne weisen rotgepunktet konspirative Wohnungen der Stasi aus und Gedächtnisprotokolle berichten akustisch über das Vorgehen der Volkspolizei. Daneben Werke von Künstlern und Möbel, wie zum Beispiel der Postverteilerkasten der Umweltbibliothek Berlin, und vor allem Schriftdokumente - auch teilweise zerstörtes Material. Schließlich werden die Veränderungen musikalisch "begleitet" - per Kopfhörer abrufbare Lieder aus dem umfassenden Archiv "Lied und soziale Bewegungen e. V.". Sie reflektieren kritisch das Geschehen.

All das ist kein nostalgischer Blick zurück, nicht plakativ inszeniert und beschwört erst recht nicht den Mythos Prenzlauer Bergs. Es löst vor allem Betroffenheit aus. Betroffenheit über erlittenes Unrecht, über die große Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie und insbesondere über die rasante Dynamik gesellschaftlicher Ereignisse.Noch bis 7. Mai, Prenzlauer Berg Museum, Prenzlauer Allee 75, geöffnet Dienstag und Mittwoch 11 bis 17 Uhr, Donnerstag 11 bis 18 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr.

Matthias Mochner

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false