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Frohsinn in Blau-Rot. Sportlerinnen vor dem Einmarsch ins Stadion der Weltjugend, Ost-Berlin, Pfingsten 1989.

© Jens Rötzsch/epd

Ausstellung in der Berlinischen Galerie: Die große DDR-Revue

Die Berlinische Galerie zeigt 250 Fotos aus allen Phasen des untergegangenen Arbeiter- und Bauernstaates. Die Arbeiten dokumentieren die Gegensätze einer geschlossen Gesellschaft.

Sie war ja gar nicht immer nur grau, die DDR, sie konnte knallbunt sein, wenn es offiziell wurde. Zum Beispiel zur „Großen Stadionrevue“ beim Pfingsttreffen der FDJ im Stadion der Weltjugend. Rote Bälle zu blauen Turnuniformen. Die Damen warten erwartungsfroh (oder missmutig) auf ihren großen Auftritt. Die DDR im vollen Ornat. Kurz vor ihrem Untergang.

Die Paradenfotos von Jens Rötzsch sind die Hingucker der neuen Ausstellung „Geschlossene Gesellschaft“ zur DDR-Fotografie in der Berlinischen Galerie. Sie bedienen Klischees der späten DDR, zeigen aber auch die Gegensätze zwischen farbenfroher Propaganda und schmutziggrauer Wirklichkeit. Vieles wirkt aus heutiger Sicht wie Satire.

Ulrich Domröse, Leiter der Fotografiesparte des Museums, hat zusammen mit drei Kuratoren eine Auswahl von 250 Fotografien zusammengestellt, die von der Wiege bis zur Bahre der DDR reichen. Eine „Überblicksausstellung“ ist der Anspruch. Arbeiten von 34 Fotografen werden in drei Themensträngen präsentiert: Die soziale Wirklichkeit des Alltags, formale Experimente mit dem Medium Fotografie und die Selbstreflexionen des Autors zu Körper und Wahrnehmung.

Die soziale Wirklichkeit nahm in der DDR-Fotografie den breitesten Raum ein, weil abweichende Intentionen bis zum Ende der 70er Jahre unter dem Formalismusverdacht standen. Die Ausstellungsmöglichkeiten waren äußerst beschränkt, nur wenige Zeitschriften wie „Sybille“ und „Das Magazin“ widmeten sich der Fotografie. Viele Künstler arbeiteten für die eigene Fotokiste, erzählt Evelyn Richter, die mit Frauenportraits vertreten ist. Erst mit der Liberalisierung der Kulturpolitik in den 80er Jahren verbesserten sich die Arbeitsmöglichkeiten.

Die meisten Fotografen beschränkten sich auf die Schwarz-Weiß-Technik, das hatte vor allem pragmatische Gründe, denn so konnten sie den Fertigungsprozess unabhängig von staatlichem Einfluss im eigenen Badezimmer erledigen. Schwarz-Weiß empfahl sich aber auch, um die Plattenbauästhetik der neuen Trabantenstädte einzufangen und das steife, oberflächlich wirkende Familienidyll in den standardisierten Wohnungen (Christian Borchert).

Bekannte Namen wie Roger Melis, Arno Fischer, Lutz Dammbeck und Sven Marquardt sind vertreten. Marquardt fing als Modefotograf an, nahm an der „X. Kunstausstellung der DDR“ teil und wurde durch die Wende seiner Inspiration beraubt. Erst seit 2003 knüpft er wieder an seine Körper-Inszenierungen aus den 80er Jahren an. Zwischendurch machte er Karriere als Berlins bekanntester Türsteher – im Berghain.

Wirkungsvoll ist die Ausstellung vor allem dort, wo sie auch dokumentarisch gelesen werden kann, auch wenn die Kuratoren das ausdrücklich nur als Nebenwirkung zulassen möchten. Arno Fischers Stadtszenen aus dem Nachkriegsberlin zeigen Menschen, die heimatverloren durch den Tiergarten wandern (West) oder im Sonntagsstaat auf Sowjetführer Chruschtschow warten (Ost). Gundula Schulze Eldowy hat in ihrer Aktserie aus den 80er Jahren Menschen porträtiert, wie sie sich eingerichtet haben, mit ihrem Körper und den privaten Dingen drumherum, staatsferne Zonen mitten in der DDR.

„Geschlossene Gesellschaft“ ist bis zum 28. Januar in der Berlinischen Galerie zu sehen, Alte Jakobstraße 124-28. Eintritt: 8 Euro. Bis 18 Jahre ist der Eintritt frei.

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