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Ausstellung "Mauerkinder": Abenteuerspielplatz Todesstreifen

Die besondere Ausstellung „Mauerkinder“ öffnete am Dienstag in der Kapelle der Versöhnung. Gezeigt werden Fotos von Kindern, die in den ersten Jahren der Mauer neben dem "Monstrum vor ihrer Haustür" spielten.

Im Wandelgang der Kapelle der Versöhnung in der Bernauer Straße hängen seit Dienstag 30 Fotos, die die Mauer in ihrer ersten Phase Anfang der sechziger Jahre zeigen: Rohe Hohlblocksteine, darüber Stacheldraht, bewacht von jungen Soldaten der NVA. Daneben: spielende Kinder.

Im Sommer 1963 erhielt der Fotograf Thomas Hoepker von der Hamburger Zeitschrift „Kristall“ den Auftrag, Kinder zu fotografieren, die im Schatten der Mauer leben. „Es schien, als hätten sich die meisten von ihnen schon an das Monstrum vor ihrer Haustür gewöhnt“, sagt Hoepker heute. Der langjährige „Stern“-Korrespondent in der DDR kam gestern in die Kapelle der Versöhnung, wo Pfarrer Manfred Fischer die Bilder als „Fotos von eindringlicher Humanität“ bezeichnete: Auf der einen Seite, übermächtig präsent, dieses steinerne Gebilde aus Menschenhand, statisch, brutal, undurchdringlich – und daneben so unbefangen und ungezwungen, wie Kinder sind, wenn sie spielen.

Die Absurdität der Situation auf den Fotos wird nur noch dadurch erhöht, dass man in der Kapelle der Versöhnung auf einem Gelände steht, über dem einst der Turm eben jener Versöhnungskirche emporwuchs, den die DDR 1985 sprengen ließ, um im Hinterland ihres Jahrhundertbauwerks einsehbaren Raum zu schaffen. „Und da es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern auch Grau, ist mir die Serie mit dem Grenzer noch heute wichtig“, sagt Hoepker. „Unter der Sichtblende hindurch konnte ich einen Soldaten fotografieren, der einen, vielleicht seinen Jungen zu einem Ausflug ins Niemandsland mitgenommen hatte.“ Man sieht beide miteinander reden, dann gibt der Grenzer dem Jungen sein Fernglas – und am Ende liegt die Knarre irgendwo im Gras, und die beiden machen einen Purzelbaum. Vielleicht war es 1963 noch möglich, dass ein Grenzer dem Sohn seinen Arbeitsplatz zeigt – später, als Wall und Bewachung immer perfekter wurden, hätte das Foto nicht mehr geschossen werden können. Glück gehabt, Herr Hoepker? „Ja, Fotografie ist eben Rumlungern, einen glücklichen Moment haben – und draufdrücken.“

Axel Klausmeier von der Gedenkstätte Berliner Mauer bescheinigt den Fotos „sprechende Kraft“. Da klettern die Kinder noch auf die Mauer, „sie ist für sie Teil des Alltags, ein Abenteuerspielplatz“ sagt Thomas Hoepker, von dem es derzeit noch zwei weitere Ausstellungen gibt: In der Fotogalerie Tucholskystraße und in einer Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, wo übrigens auch die Mauerkinderbilder hängen. Aber in der Bernauer Straße wirken die Szenen ungleich authentischer als hinter Museumsmauern.

Kapelle der Versöhnung, Bernauer Straße 4, bis Ende August geöffnet, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Eintritt frei

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