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Berlin: Autographen-Auktion: Goethe reist nicht mit der Bundesbahn

Der barocke Saal im Opernpalais ist gut gefüllt, als Klaus und Wolfgang Mecklenburg, Vater und Sohn, von einem Podium aus die zweitägige Autographen-Auktion der Firma Stargardt beginnen. Hier sitzen private Sammler neben Abgesandten von Museen, Bibliotheken und Archiven; jeder hat den dickleibigen Katalog mit über 1300 Positionen auf den Knien.

Der barocke Saal im Opernpalais ist gut gefüllt, als Klaus und Wolfgang Mecklenburg, Vater und Sohn, von einem Podium aus die zweitägige Autographen-Auktion der Firma Stargardt beginnen. Hier sitzen private Sammler neben Abgesandten von Museen, Bibliotheken und Archiven; jeder hat den dickleibigen Katalog mit über 1300 Positionen auf den Knien. Die Stimmung ist erwartungsvoll-gespannt, die Versteigerer sind sich des Wertes und der Würde ihrer papiernen Schätze wohl bewusst. Für jedes Blatt Papier garantieren sie die absolute Echtheit, sie agieren mit großer Professionalität. "Unter den Hammer" kommt hier nichts, die Chefs dieses Auktionshauses wählen die feinere Variante: Immer, wenn es "...zum Dritten" heißt, tippt der Versteigerer mit der Rückseite seines Schreibstiftes auf die Tischplatte. Damit steht der neue Besitzer fest, das Nächste bitte. Rechts vom Podium steht ein junges Mädchen, das jedes Angebot hoch hält, damit alle sehen können, was gerade an der Reihe ist.

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Die Schriftstücke mit den Handschriften berühmter Menschen sind nach Sachgebieten geordnet. Gestern waren Zeugnisse aus Literatur, Wissenschaft und Bildender Kunst an der Reihe, heute folgen Autographen aus dem Reich der Musik, von Theater, Film und Geschichte. Die Blätter sind teilweise schon vergilbt, man berührt sie gewissermaßen mit den Samthandschuhen von Hochachtung und Ehrfurcht. Zahlreiche Gebote, oft höher als der ausgewiesene Schätzpreis, liegen dem Auktionshaus bereits vor, da die Kataloge in alle Welt verschickt werden; ein Brief von Ingeborg Bachmann ist mit 300 Mark im Katalog verzeichnet, erzielt aber 850 Mark, Gottfried Benns Gedicht steigt von 1600 auf 2800 Mark, und drei Seiten Brecht an Helene Weigel ("mit viel Nikotin wenige Sonette hergestellt") sind einem Sammler 4 500 Mark wert, während ein anderer für zwei Postkarten des Meisters 2 600 Mark bezahlt. "Eins zwei drei im Sauseschritt lief die Zeit, ich saußte mit" variierte Wilhelm Busch am 4. 7. 1902 auf einer Postkarte seinen "Tobias Knopp" - 99 Jahre später kosten diese zwei Zeilen 2100 Mark.

Und dann, endlich nach einem seltenen Eichendorff-Gedicht, nach Feuchtwanger, Fontane, Max Frisch, André Gide kommen wir zum großen "G" wie Goethe - der Olympier bringt Spannung ins Palais, denn mit 50 000 Mark ist sein Widmungsgedicht von 1807 "auf grünlichem Konzeptpapier" das teuerste Angebot im Katalog. Der Preis schaukelt sich hoch und höher, bis er bei 65 000 angekommen ist: Die Nummer 60 lächelt sieghaft und scheint sehr zufrieden: "Ich freue mich sehr über diese Erwerbung, zumal sie in unserem Limit bleibt". Bis zu einer Summe von 70 000 DM wäre Renate Moering gegangen, dann hätte auch sie gepasst. Die Leiterin der Handschriften-Abteilung im Frankfurter Goethe-Museum sagt, dass derlei Käufe auch durch das Sponsoring einer kunstliebenden Bürgerschaft möglich sind. Und wie kommt das Blatt nach Frankfurt? "Ich trau mich nicht, den Goethe einfach so in der Handtasche im Zugabteil mitzunehmen - er kommt mit einem Sonderkurier".

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