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Viel Beton, und trotzdem schön: Auf dem Tempelhofer Feld finden alle Freizeitsportler, Spaziergänger und Griller ihren Frieden. Bald könnten hier aber 272 PS starke Elektrowagen fahren.

© Kai-Uwe Heinrich

Autorennen auf dem Tempelhofer Feld in Berlin: Vor dem Formel-E-Rennen muss das Unkraut raus

Am Flughafen Tempelhof wird heute schon von Radlern und anderen Sportlern gerast. Nun soll ein Formel-E-Autorennen dazukommen - mit 272 PS starken Elektrowagen. Nachdem die Rennstrecke an der Avus 1998 stillgelegt wurde, könnte Berlin eine neue Attraktion für sich gewinnen.

Niemand war am Dienstagmorgen schneller auf dem Tempelhofer Feld unterwegs als Justus Becker. 30 Stundenkilometer schafft er im Durchschnitt, wenn er mit dem Rennrad seine Runden auf den alten Flugbahnen zieht. Allerdings wird er die Bestzeit nicht mehr lange halten, denn schon bald sollen die Fahrzeuge der Formel E mit 225 Stundenkilometern über das Vorfeld des Flughafen rasen. Becker blickt über den Zaun, der das leere Vorfeld von seinem Rastplatz trennt. „Da drüben sollen sie fahren?“ fragt er, als er von der übermächtigen Konkurrenz erfährt. „Aber das sieht doch gar nicht so groß aus!“

Ein hochklassiges Autorennen mit 272 PS starken Elektrowagen

Auf dem 23 Hektar großen Vorfeld soll bis 2015 eine maximal drei Kilometer lange Rennstrecke entstehen. Dann sollen die bis zu 272 PS starken Elektrowagen der neuen Formel E, die in ihrer ersten Saison unter anderem auch in London, Buenos Aires, Peking und Bangkok gastieren wird, das finale Rennen in Tempelhof austragen. Es wäre das erste hochklassige Autorennen in der Stadt, nachdem die Rennstrecke an der Avus 1998 stillgelegt worden ist. Der Flughafen Tempelhof sei ein idealer Austragungsort, hatte Formel-E-Geschäftsführer Alejandro Agag gesagt. Leitplanken werden den verwinkelten Kurs auf dem Vorfeld sichern. Bis zu 30 000 Zuschauer sollen auf wieder abbaubaren Tribünen Platz finden. „Wir fassen nichts an, wir verändern nichts, es ist ja alles denkmalgeschützt“, versprach Agag.

Viele Radfahrer, Inline-Skater und Spaziergänger freuten sich am Dienstagmorgen sichtlich mehr über den neuen Veranstaltungshöhepunkt als Rennfahrer Justus Becker. Joachim Haack betreibt seit Anfang des Jahres den Segway-Verleih „Steckdose Kreuzberg“ auf dem Tempelhofer Feld. Die einachsigen Roller werden mit 25 Stundenkilometern fast so schnell wie die Fahrradfahrer. Gerade weist Haack auf einem Testparcours ein paar Neulinge in die Fahrkünste ein. „Einfach an die Hütchen fahren, zurücklehnen und anhalten!“

Freizeit auf dem Tempelhofer Feld

Dass bald die Rennwagen über das benachbarte Vorfeld brettern, kann nur positive Konsequenzen haben, findet Haack. „Je mehr Menschen kommen und sehen, welche Möglichkeiten es gibt, das Tempelhofer Feld in der Freizeit zu nutzen, umso besser.“ Er werde bestimmt hingehen, sagt Haack, schließlich ist er Motorsportfan und fuhr selbst mehr als zehn Jahre Rallye im Team Renault-Alpine. Zwar sprießt überall Unkraut aus den Ritzen, manche der Bodenplatten sitzen nicht bündig. Und dennoch sei das Vorfeld eine perfekte Rennstrecke, glaubt er. „Hier muss man nicht neu asphaltieren, der Boden hat einen wunderbaren Grip.“ Bis 2008 starteten und landeten hier ja auch noch Flugzeuge.

Bei dem Kunstprojekt „Arche Metropolis“, das gleich neben dem Segway-Verleih Hagebutten, Brombeeren und Pflaumen anpflanzt, ist man dagegen froh, dass das Rennen nur auf dem Vorfeld und nicht auf dem gesamten Tempelhofer Feld ausgetragen wird. „Das ginge in die Hose, kommt gar nicht in Frage“, warnt ein Sprecher des Projektes. Ekkehard Morper, der gerade per Fernsteuerung einen weißen Flieger über die Rollbahn segeln lässt, ahnt Böses. „Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass ich während der Formel E meinen Modellflieger nicht werde steigen lassen dürfen.“ Wirklich niedergeschlagen ist der Hobbybastler allerdings nicht. „Dann werde ich vielleicht zum Rennen gehen.“

Kalle Harberg

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