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Berlin: Baby gefesselt und geschlagen: Mutter steht vor Gericht

32-Jährige misshandelte ihr Kind monatelang. Schließlich alarmierte ein Nachbar die Polizei

Bedrückende Stille im Saal 621 des Berliner Landgerichts. „Wie kam es zu den Misshandlungen?“, will der Richter von Diana T. wissen. Die Angeklagte nimmt sich Zeit. Sie erwartet Geduld von den Zuhörern. Geduld, die sie mit ihrer kleinen Tochter immer seltener hatte. „Alle wollten etwas von mir, ich habe nur noch funktioniert“, sagt die Angeklagte dann. Sie habe sich oft über Maries Vater geärgert. „Er hat getrunken, blieb oft weg.“ Die Sache mit Marie habe mit einem Knuff in die Seite angefangen. „Weil sie unruhig war.“

Die 32-jährige Diana T. muss sich seit gestern wegen monatelanger Misshandlungen ihres Babys verantworten. Am 4. Dezember vergangenen Jahres hatte ein Nachbar die Polizei alarmiert. Als die Beamten in die Parterrewohnung im Walldürner Weg in Hakenfelde kamen, fanden sie das 17 Monate alte Mädchen mit Gurten ans Gitterbett gefesselt vor. Die Beine waren mit Elastikbinden zusammengebunden, der Körper mit Striemen, Narben, Hämatomen, Bisswunden und Fesselmarken übersät. Sie war auf nur noch acht Kilogramm abgemagert, ein Arm war seit drei Monaten gebrochen.

Diana T. ist eine zierliche Frau mit auffallend tiefer Stimme und verschlossenem Gesicht. Sie trägt einen grauen Strickanzug, der sie noch strenger wirken lässt. Sie ist Wirtschaftshelferin, wuchs ohne Vater und später zum Teil in Heimen auf. Silvester 2000 hatte sie ihren Lebensgefährten kennen gelernt. Der Rettungssanitäter Carsten K. ist 26 Jahre alt und arbeitslos. Sie sagt, er habe sich zuerst um Marie gekümmert. Das war in den ersten Monaten, als sie mit dem Baby auch noch zum Arzt ging. „Dann hat er getrunken, und ich musste alles machen“, schimpft Diana T.

Der Richter will wissen, welche Rolle der Vater in der Zeit spielte, in der Marie misshandelt wurde. „Keine Antwort“, meint die Angeklagte. Er ist für sie noch immer der „Mann fürs Leben“. Auch wenn die Übergriffe auf ihre Tochter sehr wohl etwas mit ihm zu tun hatten. Das Ermittlungsverfahren gegen den Vater läuft noch. „Haben Sie jeden Tag geschlagen, gebissen?“, will der Vorsitzende Richter wissen. „Im Prinzip nur, wenn der Herr wieder unterwegs war.“ Dann ließ sie ihren Frust an Marie aus.

Die Details des Falles schnüren einem die Luft ab. Maries Gitterbett stand in einem Verschlag hinter dem Kleiderschrank. Darüber war eine Decke gespannt. Raus kam sie selten. „Zwei- bis dreimal die Woche“, meint die Angeklagte. Ihrem Schäferhund ging es besser. „Der hatte seine Zeiten – morgens, mittags, abends.“ Einmal hatte sie Marie für vier bis fünf Tage ans Bett gefesselt. Warum, weiß sie nicht mehr. Essen und Trinken habe sie ihr aber gegeben. Das Fesseln erklärt die Mutter so: „Ich habe mal einen Bericht über ein russisches Waisenhaus gesehen. Die haben die Babys auch zusammengewickelt, damit sie besser schlafen.“

Diana T. sagt, sie sei überfordert gewesen. „Ich wollte mal 24 Stunden Ruhe haben.“ Für Hilfe von außen habe ihr „das nötige Vertrauen“ gefehlt. Bei der Gesundheitsbehörde war schon ein Jahr zuvor ein Hinweis eingegangen, dass Diana T. mit dem kleinen Kind offensichtlich nicht zurechtkomme. Eine Mitarbeiterin meldete sich bei der Mutter. Doch zu einem Hausbesuch kam es nicht.

Im Prozess gibt die Mutter die meisten Vorwürfe zu. Aus ihrer Sicht war in Maries Entwicklung alles im „normalen Bereich“. Eine Mitarbeiterin des Krankenhauses schildert das völlig anders. „Marie hat nur mit geschlossenem Mund geweint“, erinnert sich die Zeugin. Sie habe weder gesprochen noch gespielt. Nach elf Wochen im Krankenhaus habe die Kleine zumindest wieder gelacht. Jetzt lebt Marie bei einer Pflegefamilie. Der Mutter drohen bis zu zehn Jahr Haft. Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

Kerstin Gehrke

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