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Berlin: Baby geschüttelt, bis es bewusstlos war

24-Jähriger misshandelte Kleinkind – vor Wochen wurde das Jugendamt schon einmal von Ärzten alarmiert

Eine Stunde nur hatte die Mutter ihr Kind bei ihrem Lebensgefährten zurückgelassen. Als die 24-Jährige am Donnerstagmittag in die gemeinsame Spandauer Wohnung zurückkehrte, war das dreieinhalb Monate alte Mädchen bewusstlos. Die Mutter rief die Feuerwehr, die brachte das Kleinkind in eine Klinik. In Lebensgefahr schwebt die Kleine nicht – doch die Ärzte befürchten bleibende Schäden. Denn das Kind wies eindeutige Anzeichen von Misshandlungen – das so genannte Schütteltrauma – auf.

Am Freitag informierten die Mediziner die Polizei. Der unter dringendem Tatverdacht stehende Freund der Mutter wurde festgenommen, aber nach Rücksprache mit der Staatsanwaltschaft keinem Haftrichter vorgeführt, sondern wieder auf freien Fuß gesetzt. Die Ermittlungen gegen ihn dauern an. Die Frau hat noch ein drei Jahre altes Kind, der festgenommene Freund ist bei beiden nicht der Vater.

Das Landeskriminalamt hat die Ermittlungen übernommen. Dabei kam heraus, dass das Mädchen bereits Ende September von seiner Mutter in ein anderes Krankenhaus gebracht worden war. Auch damals erkannten die Ärzte eindeutig den Grund der Verletzungen: Misshandlung. Das Kind war nach einigen Tagen wieder entlassen worden; damals hatte das Krankenhaus nur das Jugendamt informiert, nicht die Polizei. Auch das Jugendamt des Bezirks hatte nicht die Polizei gerufen – ungeachtet der dringenden Bitte des Landeskriminalamtes, bei Verdacht auf Kindesmisshandlung oder -vernachlässigung die Polizei zu verständigen. Dabei bietet das Spandauer Jugendamt berlinweit ein einmaliges Hilfsangebot: Das Kriseninterventionsteam ist rund um die Uhr unter der Telefonnummer 3751530 zu erreichen.

Im März hatte die Berliner Polizei wegen der vermuteten hohen Dunkelziffer – nur jeder 20. Fall wird erkannt – eine Plakatkampagne gestartet mit aufrüttelnden Motiven: „Ihr Anruf kann entscheidend für das Leben eines Kindes sein.“ Immer wieder betont die Kripo, dass ein Anrufer nichts zu befürchten habe, wenn sein Verdacht unbegründet sei. Im ersten Halbjahr diesen Jahres war die Zahl der angezeigten Misshandlungen von Kindern auf 186 gestiegen. Im ersten Halbjahr 2003 waren es 142. Hilfe und Rat erteilt die Polizei auch anonym unter 4664 912 555.

Häufig werden Kinder „nur“ heftig geschüttelt – doch gerade das ist für Säuglinge lebensgefährlich. Es genügen vier bis fünf Schüttelbewegungen, um schwerste Verletzungen zu verursachen. Etwa ein Viertel der geschüttelten Kinder stirbt, fast alle Überlebenden erleiden bleibende Schäden. Problematisch für Mediziner ist, dass bei einem Schütteltrauma häufig keine äußerlichen Verletzungen zu erkennen sind. Hinter jedem 20. plötzlichen Todesfall eines Säuglings oder Kleinkindes stecke ein Tötungsdelikt, schätzen Kriminalisten.

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