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Berlin: Backfabrik.de: Wahrzeichen der New Economy

"Wie das Kreuz auf den Schultern Jesu Christi lastet zur Zeit noch tonnenschwerer Beton auf dem Turm", der einmal als Wahrzeichen der New Economy über Prenzlauer Berg leuchten soll. Die wuchtige Wortwahl von Bauherr Hagen M.

"Wie das Kreuz auf den Schultern Jesu Christi lastet zur Zeit noch tonnenschwerer Beton auf dem Turm", der einmal als Wahrzeichen der New Economy über Prenzlauer Berg leuchten soll. Die wuchtige Wortwahl von Bauherr Hagen M. Bartels stellt sich ein, wenn er über sein Lieblingsprojekt, die Backfabrik.de an der Saarbrücker Straße, spricht. Dass aus dem ehemaligen Backkombinat nach dem Mauerfall zunächst ein Pleiteprojekt des Großbäckers Horst Schiesser wurde, daran erinnert im Augenblick nur noch der Name. Heute eilen im hallenden Innenhof Fernmeldetechniker über Gerüste, verlegen Datenkabel in die Stockwerke.

Kräne surren, es staubt. Insgesamt 27 000 Quadratmeter Büroflächen, bestückt mit den technischen Voraussetzungen für Medien und Computerfirmen, sollen im gründerzeitlichen Bauwerk entstehen. Von den 3600 Quadratmetern, die Anfang Mai fertig sein sollen, sind laut Bartels zwei Drittel vermietet. Hinter den Parterrefenstern, im Projektbüro der - so die Vision - künftigen Hochburg der Kreativen des neuen Marktes mitten im Szenebezirk herrscht schon mal jugendlicher Schick mit hellem Holz und blauen Glasbausteinen. Anlass für die bildhaften Ausführungen des mit seiner Anfang der 90er gegründeten Firma Real-Estate Merger & Management (R.E.M.M.) größten Wohnimmobilien-Eigentümer in Prenzlauer Berg: Heute soll ein Baukran den ersten Block alten schweren Betons aus dem ehemaligen Fahrstuhlturm heben. Eine leichtere Spezialbetonmischung ist vonnöten, um die künftig beleuchtete Spitze aus transparentem Material zu verankern. Der Winddruck, dem der Block standhalten soll, sei etwa ein Viertel von dem, der auf den Segelfläche der Gorch Fock lastet. Was immer das heißen mag - der Mann, der bis Anfang nach dem Mauerfall noch als Immobilienmanager für das Fürstenhaus Thurn und Taxis nach Berlin kam, hat Sinn für Bilder.

Die in der Planungsphase zuständige Baustadträtin von Mitte, Dorothe Dubrau, jedenfalls wollte sich der Vision nicht verschließen und gestattete eine Überschreitung der Traufhöhe. Rund sieben Meter soll der Leuchtturm für die New Economy im Bezirk nun bald über den umgebenden Block ragen. Verbeten hat sich die Politikerin der Grünen aber laut Bartels, dass die Backfabrik den Wasserturm am Kollwitzplatz überrage. Die in Berlin beliebte Traufhöhenfrage ist offenbar auch hier von symbolischer Aussagekraft. Denn Nachtleben und neue Schickeria, für die das backsteinerne Monstrum inmitten beliebter Lokale und Kneipen zum Wahrzeichen wurde, sind für das Gelingen des Projekts Backfabrik.de entscheidende Voraussetzungen.

Bartels weiß, dass sich derzeit viele Immobilienprojekte in Berlin um die Gunst solventer Firmen aus der Kommunikations- und Computerbranche bemühen. "Doch die Firmen wissen auch, dass ihre Mitarbeiter die beliebte Szene wenige Schritte vom Arbeitsplatz sehr zu schätzen wissen." Gleichwohl, in näherer Umgebung bemühen sich mit der Kulturbrauerei und dem Pfefferwerk an der Schönhauser Allee sowie weiteren Anbietern großer Lofts an Hufelandstraße, Eldenaer Straße und Kastanienallee mehrere Bauherren von Gewerbeimmobilien um die gleiche Klientel. Doch mit der Verunsicherung am Neuen Markt, so Bartels, stehe in Gesprächen mit potenziellen Mietern inzwischen wieder das ruhige Abwägen im Vordergrund. Bartels ist ohnehin auf Mieter aus, die die Gründerphase, "in der sie sich gerade mal die Pizza leisten können", schon hinter sich hätten.

Ole Töns

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