Bärenquell-Karree in Berlin-Schöneweide: Brauerei-Ruine wird neues Leben eingehaucht
Nach 25 Jahren Leerstand soll auf dem Bärenquell-Gelände in Schöneweide bald die Zukunft beginnen. Investor Hava will loslegen, doch der Bezirk bremst
Höchste Zeit anzufangen. Ofer Hava schlägt mit der Handkante seiner Rechten in die Linke. „Wir müssen das jetzt festklopfen“, sagt er. Wegen der Coronakrise und fehlender Baugenehmigungen ist ihm schon einmal ein dicker Fisch vom Haken gesprungen. Die Macher der Off-Broadway-Show „Sleep no more“ wollten ihre erfolgreiche Inszenierung nach Berlin bringen, doch Hava konnte keine verbindliche Zusage machen. Dann kam der Shutdown.
Off-Broadway-Theater in Schöneweide? Zwischen Möbelmarkt, Bundesstraße und einem Heizkraftwerk? Ofer Hava, der Israeli mit Sunnyboy-Lächeln, muss sich immer wieder mit Zweiflern und Ungläubigen auseinandersetzen. Er sieht sich als „crazy guy“, der – unbelastet von Vergangenem – eben mal 250 Millionen Euro in eine C-Lage versenkt, weil er davon überzeugt ist, dass sich daraus in fünf oder zehn Jahren eine A-Lage entwickeln lässt. So etwas nennt man Vision.
Hava hat sich vorgenommen, die letzte große Berliner Brauereiruine mit burgartiger Backsteinarchitektur aus dem späten 19. Jahrhundert in ein modernes Stadtquartier mit Bürolofts, kleinen Betrieben, Cafés, Clubs und Geschäften zu verwandeln. Und natürlich einem Biergarten. Alles auf einem Karree von vier Hektar.
Hier, zwischen Schnellerstraße und Spree, wurde hundert Jahre lang Bier gebraut. Die Marke Bärenquell wechselte nach dem Ende der Produktion mehrfach den Besitzer. Er sei mit dem Inhaber der Marke im Gespräch, der habe Interesse, wieder Bärenquell-Bier zu brauen, erzählt Hava, das würde dann auf dem Gelände ausgeschenkt.
Auch ein kleines Brauereimuseum soll entstehen. Mitarbeiter von Hava ersteigern auf ebay bereits alles, was sie mit Bezug zur Brauerei finden können. Bis vor wenigen Jahren sollte auf dem Gelände eine Bauhaus-Filiale entstehen, viele unter Denkmalschutz stehende Brauereigebäude wären dafür abgerissen worden, doch in letzter Minute sprang der Baumarktkonzern ab, weil sich nebenan die Übernahme eines ehemaligen Konkurrenten anbot.
Bekannte Architekten sollen Industriehallen neu inszenieren
Hava glaubt, dass sein Quartierskonzept auf die Umgebung ausstrahlen wird, schließlich ist der neue Flughafen nicht weit und Büroflächen seien in der Gegend gefragt. Die Bauherren der Märkte nebenan merkten jetzt schon, dass ihre Rechnung nicht aufgeht. Große Fachmärkte mit noch größeren Parkplätzen direkt an der Spree, das hält nicht nur er für eine Fehlinvestition. Er sei mit den Eigentümern der Flächen im Gespräch. Und das Kraftwerk auf der anderen Seite der Brauerei werde auch irgendwann verschwinden.
Hava hat sich den renommierten deutsch-russischen Architekten Sergei Tchoban an die Seite geholt. Zusammen mit Kollegen, Jochen Klein und Barcode Architects aus den Niederlanden, will Tchoban die ehemaligen Industriehallen neu inszenieren und dabei noch weniger in die Substanz eingreifen als es bei den Brauereiflächen in Prenzlauer Berg oder Neukölln der Fall war.
Nicht nur die alten Mauern und Fliesen sollen erhalten werden, sondern auch die in den Jahren des Leerstands entstandenen Graffiti. Auch das ist ein Wettlauf gegen die Zeit, denn viele aus Sicht der Architekten gelungene Graffiti bekannter Sprayer werden von weniger ambitionierten Talenten übermalt.
Architekt Jochen Klein entwickelt Sudhaus und Maschinenhaus, in das Ensemble soll später eine Universität einziehen, auf 5000 Quadratmetern Fläche, mit Hörsälen, Kantine und Bibliothek. Nebenan ist ein Hof mit Glasdach geplant, teils auf alten Gusseisenstützen.
Die Barcode-Architekten kümmern sich um die riesige Halle der ehemaligen Flaschenabfüllanlage entlang der Spree. Das Büro Tchoban/Voss übernimmt Fassfabrik und Fassholzlager sowie den alten Pferdestall. Dazwischen entstehen Neubauten, die in Höhe und Tiefe den Altbauten den Vortritt lassen.
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An den neuen Bürohäusern entzündet sich der aktuelle Konflikt zwischen dem Bezirk Treptow-Köpenick und dem Bauherrn. Hava möchte am liebsten sofort loslegen, das Bauamt soll dagegen das Bebauungsplanverfahren abwarten, fordern die Bezirksverordneten, zumindest für die Neubauten.
Wanderarbeiter campierten in Ruinen
Erst die Altbauten sanieren und vermieten, danach die Neubauten hochziehen, das würde sein Finanzkonzept überfordern und den Mietern viel Lärm bescheren, moniert Hava. „Sie sind begeistert über das Vorhaben, aber immer besorgt“, sagt er über seine Verhandlungspartner im Bezirk. Am Donnerstagabend will Hava sein Projekt erneut dem Bauausschuss vorstellen.
Architekt Klein ist voller Enthusiasmus, wenn er durch die die teils absurd anmutenden Raum-Topographien führt, mit hohen Rundbogenfenstern, Kappendecken und überraschenden Details wie einer Treppe, die aus einer hohen Wand herauswächst. Viele historische Bauelemente wie Treppengeländer und Balustraden seien schon verschwunden, klagt er, weggeschleppt von Eindringlingen.
Anderes ging bei Bränden verloren. Zeitweise campierten Wanderarbeiter in den Ruinen. Deshalb müsse man jetzt unbedingt mit dem Projekt beginnen. „Diese Chance sollte sich der Bezirk nicht entgehen lassen.“ Schöneweide beidseits der Spree, mit seinen Industrieflächen aus der Vergangenheit, „das wird mal die Zukunft der Stadt“, versichert Tchoban. So wie der Potsdamer Platz oder die Hafen-City in Hamburg.
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