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Berlin: Bäume fällen für den Denkmalschutz?

Blauer Himmel, Sicht bis zum Horizont, Anflug auf Tegel. Wer sich Berlin aus der Luft nähert, staunt jedesmal aufs Neue, wie grün die Millionenstadt ist.

Von Markus Hesselmann

Blauer Himmel, Sicht bis zum Horizont, Anflug auf Tegel. Wer sich Berlin aus der Luft nähert, staunt jedesmal aufs Neue, wie grün die Millionenstadt ist. Berlin liegt im Wald: Tegeler Forst, Müggelberge, Grunewald – rundherum Naherholungsgebiete mit U- und S- Bahn-Anschluss. Wer schöne Alleen sehen will, der muss nicht raus nach Brandenburg. Mit einer Fahrt unterm grünen Baldachin der Puschkinallee am Treptower Park beeindrucken Sie jeden Besucher: Was denn, sind wir noch in der Stadt? Jaja, mittendrin. Dazu die großen Grünflächen: Tiergarten, Rehberge, Volkspark Friedrichshain ...

Berlin muss nicht zurück zur Natur. Berlin muss zurück zur Kultur, zur Geschichte, zur Architektur. Die Anziehungskraft der Stadt beruht auf ihrer Historie. Viele Kulturschätze sind aber nicht in einem präsentablen Zustand. Wir müssen sie restaurieren – und zwar möglichst nah am Original. Denn die Menschen zieht es zum Original, das beweist der Erfolg der MoMA-Schau. Die Aura des ursprünglichen Werks lockt Hunderttausende zu Bildern, die von Kopien her sattsam bekannt sind. Bei der Architektur ist das einfacher: Ihre Kunstwerke, zu denen die Siedlungen Bruno Tauts gehören, sind per se Originale. Wenn sie wieder in altem Glanz dastehen, sollte uns das über den Verlust einiger Bäume hinwegtrösten. Die Versteppung der Hauptstadt droht deshalb nicht.

Berlin ist dabei, seinen Ruf als eine der grünsten Metropolen der Welt zu verspielen. Sicher, noch sind die großen Grünflächen nicht wirklich in ihrer Existenz gefährdet, aber die Kahlschlagmentalität breitet sich aus. Die Zahl der Straßenbäume sinkt stetig. Und die abgeschwächte Baumschutzverordnung wird diesen Prozess beschleunigen. Nun legen auch noch die Denkmalschützer die Axt an, um Sichtachsen wieder herzustellen oder den ursprünglichen Zustand von Wohnensembles. Hoffentlich macht das keine Schule. In den Mietskasernen-Bezirken zum Beispiel. Die wurden vor mehr als einhundert Jahren hochgezogen, ohne dass irgendjemand an Straßenbäume oder gar Hofbegrünungen gedacht hätte. War ja auch nicht wichtig, schließlich ging es um eine möglichst profitable Ausnutzung noch der kleinsten Parzelle, und nicht um Lebensqualität für deren Bewohner. Heute aber verbinden die meisten Menschen Wohnqualität auch mit etwas Grün in ihrer Nähe. Hätten die Denkmalschützer auch dagegen etwas? Sollen in Kreuzberg, Friedrichshain oder Prenzlauer Berg die Bäume fallen, weil sie die damaligen Bauherren nicht für wichtig erachteten? Übrigens: Wenn die Denkmalschützer diesen Gedanken – etwas um jeden Preis so zu bewahren, wie es errichtet wurde – konsequent zu Ende denken, dann müssten sie überall Bäume pflanzen. Denn die waren schließlich als Erste da. Ingo Bach

Dürfen für den Denkmalschutz Bäume gefällt werden?

Rufen Sie am morgigen Montag zwischen 8 und 12 Uhr an. Wenn Sie dafür sind, wählen Sie 0137-203333-1, sind Sie dagegen: 0137-203333-2 (12 Cent pro Anruf). Das Ergebnis veröffentlichen wir am Dienstag.

Abstimmung im Internet:

www.tagesspiegel.de/ted

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