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Die bekannteste Kassiererin Deutschlands. Barbara E. ist "Emmely" bekannt geworden.

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Bagatellkündigung: Letzte Instanz im Fall Emmely

"Emmely" ist längst ein Politikum. Am Beispiel der Berliner Kassiererin, die Pfandbons im Wert von 1,30 Euro unrechtmäßig eingelöst hat, machen Gewerkschaften und Opposition mobil gegen Bagatellkündigungen. Am Donnerstag geht der Fall nun in die letzte Gerichtsinstanz.

Barbara E. ist die wohl berühmteste Kassiererin Deutschlands, bekannt geworden als „Emmely“. Als das Berliner Landesarbeitsgericht im Februar 2009 bestätigte, ihr Arbeitgeber – der Supermarktkonzern Kaiser’s-Tengelmann – habe sie wegen zwei unrechtmäßig eingelöster Pfandbons im Wert von 1,30 Euro zu Recht gekündigt, ging ein Aufschrei der Empörung durchs Land. Am Donnerstag verhandelt das Bundesarbeitsgericht in Erfurt erneut über den Fall.

„So etwas hat es vorher nicht gegeben“, sagt Gerhard Binkert, Vizepräsident des Landesarbeitsgerichts. Richtig los ging es, als Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) das Urteil als „barbarisch“ und „asozial“ bezeichnete. Die jetzige Arbeitssenatorin Carola Bluhm (Linke) zog wütende Vergleiche zu Managern, die trotz schwerer Fehlentscheidungen Millionenabfindungen erhielten. Der DGB sprach von „Arbeitsrichtern ohne Augenmaß“.

Seither läuft eine Unterstützungsmaschinerie, die dafür sorgt, dass der Fall nicht in Vergessenheit gerät – bis heute. Im Komitee „Solidarität mit Emmely“ haben sich Gewerkschafter und andere Aktivisten zusammengeschlossen. Für die Anwältin von Kaiser’s-Tengelmann Karin Schindler-Abbes bedeutete dies, dass E. „politisch instrumentalisiert“ wird. Die Unterstützer organisieren deutschlandweit Podiumsdiskussionen und Demonstrationen vor Kaiser’s-Supermärkten. Auch am Donnerstagabend wird es eine Kundgebung geben – diesmal vor der Filiale in der Warschauer Straße, egal wie die Verhandlung ausgeht. Solidaritätsadressen kommen von Gewerkschaftsorganisationen aus aller Welt – aus Spanien, Argentinien, Malawi, Kolumbien und den USA. Nach Emmely erreichten weitere Fälle von „Bagatellkündigungen“ – beispielsweise wegen des Diebstahls von Buletten oder Maultaschen – bundesweites Aufsehen. Von der SPD und der Linkspartei kamen inzwischen Gesetzentwürfe zum Kündigungsschutz bei Bagatelldelikten.

War die Kündigung verhältnismäßig oder hätte eine Abmahnung gereicht?

E.s Anwalt Benedikt Hopmann will bei der Revisionsverhandlung vor dem Bundesarbeitsgericht vor allem den Schwerpunkt auf die Frage richten, ob die Kündigung verhältnismäßig war oder nicht eine Abmahnung gereicht hätte. Es gehe also darum, ob der erhobene Vorwurf ausreicht, „dass nach mehr als 30-jähriger unbeanstandeter Tätigkeit das Vertrauen des Arbeitgebers so erschüttert ist, dass ihm die Weiterbeschäftigung nicht zuzumuten ist“. Das Landesarbeitsgericht hatte zunächst die Revision nicht zugelassen. Das Bundesarbeitsgericht entschied im Juli 2009 anders, da es im Urteil auch darum gegangen war, dass E. im Laufe des Verfahrens stets verneinte, die Bons gestohlen zu haben. Über die Frage, ob das spätere Verhalten eines entlassenen Arbeitnehmers vor Gericht mit berücksichtigt werden kann, gibt es noch keine Rechtsprechung des BAG. Der Streit habe daher grundsätzliche Bedeutung, und die Revision sei zuzulassen.

Die mediale Aufmerksamkeit ist die eine Seite für Barbara E. Die andere ist erheblich ernüchternder. Seit ihrer Kündigung ist die 52-Jährige auf Hartz IV angewiesen. Deshalb musste sie sich schon eine billigere Wohnung suchen. Zwar macht sie derzeit eine Maßnahme des Jobcenters für über 50-Jährige, aber einen Job hat sie bisher nicht wieder gefunden – trotz oder vielleicht doch eher wegen ihrer Prominenz.

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