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Um die Anschläge auf der Bahn ging es am 20. Oktober im Bundestag.

© dpa

Bahn-Anschläge: Bundestag streitet über "gefährliche Idioten"

Auch wenn die meisten Brandsätze nicht zündeten - eines haben die Urheber der Bahn-Anschläge erreicht: Der Bundestag redet über sie und den Terrorismus-Begriff. Nicht für alle ist dies eine "akademische" Debatte.

Eine Stunde lang debattierte der Bundestag am Donnerstagnachmittag die Anschläge, die in der vergangenen Woche immer wieder den Nah- und Fernverkehr in Berlin beeinträchtigt und teilweise lahmgelegt hatten. Alle Redner verurteilten die Taten - um die Frage aber, wie diese einzuordnen seien, gab es Streit. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hatte in der vergangenen Woche von „verbrecherischen, terroristische Anschlägen“ gesprochen, die „in eine neue Dimension hineingehen“. Damit hatte er eine Debatte angestoßen - und um den Begriff des Terrorismus drehte sich nun auch die Diskussion im Bundestag.

Jan-Marco Luczak, CDU-Abgeordneter für Tempelhof-Schöneberg, sagte, er könne zwar noch nicht abschließend beurteilen, ob die Taten mit jenen der RAF vergleichbar seien. Aber es müsse auf eine signifikant erhöhte Gewaltbereitschaft linksextremer Täter reagiert werden. Dem Berliner Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele warf er vor, die Geschehnisse zu verharmlosen. Ströbele hatte in der vergangenen Woche in der „Süddeutschen Zeitung“ davor gewarnt, Vergleiche zur RAF zu ziehen, denn dadurch würden völlig unterschiedliche Sachverhalte und gesellschaftliche Situationen miteinander in Verbindung gebracht - was Luczak nun kritisierte.

Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Gunkel erhob den umgekehrten Vorwurf: Die Bundesregierung wolle "derartige Dinge hochspielen", das sei "lächerlich und fahrlässig". Gunkel lobte allerdings auch die Reaktion von Bundesinnenminister Friedrich (CSU) auf die Brandanschläge. Es sei richtig gewesen, dass mehr Bundespolizisten an den Bahnstrecken Streife liefen. "Mit Hysterie helfen Sie niemandem", sagte der SPD-Abgeordnete Swen Schulz. Die Koalition müsse sich fragen, ob sie ein Stück weit das Spiel der Täter mitspiele.

Auch andere Oppositionspolitiker warfen der Regierung vor, die Taten zu dramatisieren: Der Berliner Grünen-Abgeordnete Wolfgang Wieland sagte, es würde ein Zerrbild der Hauptstadt gezeichnet. Schließlich seien die vielen Touristen in Berlin keine "Abenteuerurlauber auf der Suche nach einem Ersatz für das Dschungelcamp". Zum RAF-Vergleich sagte Wieland, die Täter würden zwar die Gefährdung von Menschen in Kauf nehmen, sie wollten aber niemanden umbringen. Das sei ein qualitativer Unterschied, und eine Eskalation dürfe nicht herbeigeredet werden. Wieland stellte aber auch klar: Die Täter seien "gefährliche Idioten", und er wolle nichts verharmlosen.

Noch schärfer fiel die Kritik an der Regierung von Seiten der Linkspartei aus. Die Abgeordnete Ulla Jelpke sagte, die Koalition würde "bewusst Terrorhysterie schüren", es handele sich "nicht um die Geburtsstunde einer neuen RAF". Jelpke sagte, die Linke lehne Brandanschläge "ohne Wenn und Aber" ab. Sie führte aber auch an: Die Brandsätze seien dilettantisch gebastelt gewesen, nur zwei hätten überhaupt gezündet, und die Bahn habe versichert, dass für Fahrgäste keine ernsthafte Gefahr bestanden habe. Angesichts dieser Fakten würde die CDU "wider besseres Wissen" über vermeintlichen Terrorismus "herumschwadronieren". CDU und FDP würden die Anschläge als willkommene Steilvorlage dafür nutzen, all das zu diskreditieren, wofür linke Bewegungen und Parteien stünden. Dabei stellte Jelpke auch einen Zusammenhang zu der Occupy-Bewegung her, die im Moment auch in Berlin mit Demonstrationen auf sich aufmerksam macht.

Enak Ferlemann (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesbauministerium, verteidigte die Äußerungen von Minister Peter Ramsauer. Er hatte von "verbrecherischen terroristischen Anschlägen" gesprochen. Ferlemann sagte, es seien mehr als 2600 Züge von den Taten betroffen gewesen und rund 70.000 Verspätungsminuten entstanden. Deshalb hätten die Äußerungen Ramsauers "durchaus ihre Berechtigung" - denn es handele sich um eine neue Art der politischen Auseinandersetzung, wie sie in Deutschland bisher unbekannt sei.

Stärker abwägend äußerte sich Ole Schröder, CDU-Abgeordneter und Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesinnenministerium. Er sagte, nach den Maßstäben des Strafgesetzbuches handele es sich nicht um terroristische Taten - aber das sei ohne Bedeutung für die Auswirkungen auf die Bürger. Zudem seien die Geschehnisse der bisherige Höhepunkt einer seit Jahren anwachsenden Zahl politisch links motivierter Straftaten. Es handele sich um den Versuch, existenzielle Infrastruktur zu beschädigen - und zigtausende Bürger würden in Angst und Schrecken leben und fürchten, dass die Bahn unsicher sei. Seit Jahren werde von der politischen Linken versucht, die Taten von Linksextremisten zu relativieren. Erst langsam beginne sich dies zu wandeln, und zwar angesichts der Tatsache, dass in Berlin immer mehr "Kleinwagen und Familienkutschen" in Brand gesteckt würden.

Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer nannte die Diskussion um den Begriff des Terrorismus "akademisch". Es habe sich um "Angriffe auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung" gehandelt, und es sei unerträglich, dass beispielsweise die Linksabgeordnete Ulla Jelpke dies "verharmlose".

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