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Bahnhof Friedrichstraße: Grenzkontrolle im Tränenpalast

Das Areal um den Tränenpalast ist neu gestaltet und wiederbelebt. Im prominenten Bau entsteht eine spezielle Schau.

Am verrücktesten sind die Nähmaschinen. Mehr als 2000 dieser Oldtimer der Schneiderkunst a. D. zieren die Schaufenster von „All Sains“, einem neuen Laden mit lässigen Klamotten. Dieser Friedhof der Nähmaschinen ist eine der Überraschungen am nördlichen Teil der Friedrichstraße, gleich am Bahnhof. Die Straße hat sich gewandelt. Und sie ist auf dem besten Weg, die Geschäftigkeit der Einkaufsmeile zwischen Leipziger Straße und S-Bahnhof nach Norden hin fortzusetzen und dem Bahnhof Friedrichstraße endlich ein vernünftiges Umfeld zu geben.

Die Unkrautwüste auf dem Spreedreieck fiel erst dann so richtig auf, als gegenüber das Melia-Hotel entstanden war. Eines Tages verdeckte nebenan ein Bauzaun den Blick in die Grube, in der vergebens nach dem Tafelsilber vom alten Hotel Adlon gefahndet, vor allem aber ein neues Bürohaus gebaut wurde. Und gegenüber, zwischen dem umstrittenen Hochhaus auf dem Spreedreieck und dem Bahnhof Friedrichstraße, ist unversehens ein kleiner, namenloser Stadtplatz entstanden.

Weil keine Bänke dort sind, setzen sich die Leute auf die Steinstufen mehrerer kleiner Treppen. Wer im Osten groß geworden ist, denkt sofort an die Menschenschlange, die stets an diesem Ort auf etwas wartete, was selten kam – ein Taxi. Doch der prominenteste Bau auf dieser kleinen Insel am Ufer der Spree ist der Tränenpalast. Viele Jahre befand er sich zwischen Baugruben, Zäunen und gesperrten Straßen, nun hat auch er so langsam ein angemessenes Umfeld. Das Gebäude mit seinen hohen Fenstern zwischen der blauen Mosaikfassade steht unter Denkmalschutz und hat 20 Jahre zugeschaut, wie die Touristen am anderen Ende der Friedrichstraße ins Haus am Checkpoint Charlie pilgern, obwohl kein Deutscher aus West oder Ost diesen Grenzübergang für Ausländer passieren durfte. Nein, am Bahnhof Friedrichstraße steht sie, die blaue Mauritius der Mauergedenkstätten: Willkommen und Abschied in einem für Verwandte und Freunde aus Ost und West, Durchgangsbahnhof der Gefühle. Hier war der Grenzalltag so gegenwärtig wie Freude und Schmerz, wenn sie kamen oder gingen, manchmal für immer.

Auch im Tränenpalast wird derzeit heftig gearbeitet. Es ist, als kehre die Vergangenheit zurück, und ein bisschen ist das auch so: Der Präsident der Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik“ in Bonn, Hans Walter Hütter, erzählt, dass Besucher ab September durch zwei originale Grenzkabinen gehen können – „verbunden mit Erinnerungen und gemischten Gefühlen“. Auch das berüchtigte Schnarren vom Türschloss wird Teil der Inszenierung. „Grenzerfahrungen – Alltag der deutschen Teilung“ soll die Dauerausstellung heißen.

600 000 Objekte befinden sich im Bonner Geschichtshaus, eines davon kommt auf jeden Fall nach Berlin: ein großes Modell der Grenzübergangsstelle („Güst“) Friedrichstraße. Eine Stunde könnte der Rundgang und das Verweilen vor Monitoren, Bildschirmen und Schriften – bei freiem Eintritt – dauern. „Dieses legendenumwobene Haus ist Teil eines historischen Weges, der vom Checkpoint Charlie über das Brandenburger Tor, den Tränenpalast zur Mauergedenkstätte Bernauer Straße führt“, sagt Hütter. Das Umfeld sei ja auch „toll“. Dampfer, Distel, Admiralspalast, all die Kneipen, Bert Brecht und das Berliner Ensemble – attraktiver geht’s wohl nicht.

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