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Bahnstrecke: Testzüge sausen auf der Anhalter Bahn

Nach mehr als 50 Jahren rollen auf einer der ältesten Berlin-Brandenburger Bahnstrecken wieder Züge. Für Testfahrten hat die Bahn die Verbindung vom Südosten Berlins Richtung Leipzig endgültig wieder erweckt.

Berlin - Seit 1952 waren auf der Trasse - der inzwischen 165 Jahre alten Anhalter Bahn - in Folge der deutschen Teilung keine Züge mehr gefahren. Vom 28. Mai an wird sich das ändern. In 70 Minuten sausen die ICEs dann mit Tempo 200 von Berlin nach Leipzig - 40 Minuten schneller als bisher. Der Umweg über Schönefeld entfällt.

Im Testzug der Bahn sieht es aus wie auf der Intensivstation eines Krankenhauses: Monitore flimmern, Kabelstränge durchziehen die Wagen, auf dem Dach der Lokomotive ist eine Kamera montiert. Projektleiter Ralf Mattuschka und sein Team testen die Trasse auf Herz und Nieren. Hält die Strecke Tempo 220 aus, zehn Prozent mehr als die Züge später fahren werden? "Bei den ersten Tests kribbelt es immer im Bauch", sagt Projektleiter Ralf Mattuschka. Jeder Fehler würde Zeitverzug bedeuten - und es bleibt nicht mehr viel Zeit bis Mai. Außerdem schlägt eine Woche Testfahrt mit rund 150.000 Euro zu Buche.

Mattuschka hat aufgeatmet. Bis auf einen Schienenbruch und vier Stellen mit zu wenig Schotter ist alles in Ordnung. Die ICEs können bis zur Berlin-Brandenburger Stadtgrenze 200 Stundenkilometer schnell fahren, bisher sind nur 160 erlaubt. An der Spitze des Testzugs ist auch Lokführer Michael Brandecker zufrieden. "Das ist ein besonderer Reiz, Strecken zu fahren, die noch keiner gefahren ist", sagt er. "Und das Schönste ist, sie richtig schnell zu fahren."

In seiner Bahnhofsgaststätte in Zahna (Sachsen-Anhalt) nimmt Wirt Uwe Dietrich die Aufregung um die Sause-Züge vor seinem Fester gelassen. "Ob die hier jetzt mit 160 oder 200 durchdonnern, ist doch auch egal", sagt er und zapft ein neues Bier. In Brandenburg ist die Aufregung größer. In Teltow fürchten die Bahn-Nachbarn den Krach der schnellen Züge und wünschen sich Lärmschutzwände. In Berlin schließlich hat die Neugier gesiegt. Am S-Bahnhof Lichterfelde Ost staunen die Fahrgäste über den weiß-roten Testzug auf dem neuen Nachbargleis und wünschen den Ingenieuren noch schnell "allet Jute".

Ralf Mattuschka kann sich noch erinnern, wie die Anhalter Bahn von Berlin bis Ludwigsfelde Mitte der 90er Jahre aussah. "Es war alles völlig zugewachsen, wie ein Biotop", sagt er. Denn die Anhalter Bahn, 1841 gegründet, war nach dem Zweiten Weltkrieg zum Politikum geworden. Die DDR-Reichsbahn wollte ihre Züge nicht auf West-Berliner Gebiet rollen lassen. Sie fuhren für mehr als fünf Jahrzehnte lang eine große Schleife über Schönefeld nach Ost-Berlin.

Seit dem Jahr 2000 hat die Bahn die traditionelle Anhalter Bahn zwischen Berlin und Ludwigsfelde für 200 Millionen Euro grundlegend saniert: Bauarbeiter verlegten neue Schwellen, neue Schienen, neue Oberleitungen und eine neue Signaltechnik. Hinter Ludwigsfelde mündet die Trasse auf die angestammte Strecke Richtung Leipzig. Für die Regionalzüge sind neue Haltepunkte in Lichterfelde Ost, Teltow, Großbeeren und Birkengrund Süd entstanden. Die ICEs aus Hamburg stoppen künftig am Gesundbrunnen, im Berliner Hauptbahnhof, an der Papestraße (Südkreuz) und rauschen dann über Lutherstadt Wittenberg nach Leipzig.

Ein Wermutstropfen bleibt für die Nutzer des Flughafens Schönefeld. Hier wird vom 28. Mai an kein ICE mehr halten. Die Dresdener Bahn, die den Flughafen über eine neue Strecke anbinden sollte, ist als einziges Berliner Nachwende-Bahnprojekt noch nicht fertig. Doch bei Ralf Mattuschka schmälert das nicht die Freude über die ausgebaute Anhalter Bahn. "Eine direkte Nord-Süd-Verbindung durch Berlin wünschen sich die Stadtväter doch seit 1890", sagt er. (Von Ulrike von Leszczynski, dpa)

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