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Entspanntes Arbeiten. Bahnarbeiter laufen am Dienstag zwischen den leeren Gleisen am Potsdamer Hauptbahnhof – sie wurden im Lauf des Tages nur selten gestört, denn die Lokführergewerkschaft GDL hat ihre Mitglieder aufgerufen, die Züge bis zum Sonntagmorgen um 9 Uhr stehen zu lassen. Foto: Ralf Hirschberger/dpa

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Bahnstreik in Berlin und Brandenburg: Nur Holland hat keine Not

Berufspendler, Touristen, Busfahrer – der erste Tag des langen Bahnstreiks frustriert die meisten Reisenden. Wir haben uns bei Reisenden und streikbedingt Nicht-Reisenden umgehört.

Zufriedenheit und Ärger liegen am Dienstag im Berliner Hauptbahnhof dicht beieinander. Da ist zum Beispiel Familie van den Schoor, die in ihren niederländischen Heimatort Hertogenbosch zurückfährt und jetzt, dank Bahnstreiks, früher als geplant zu Hause ankommen wird. Die Ausweichroute über Duisburg ist schneller als der ausgefallene Zug über Osnabrück. „Die haben das wirklich gut gelöst“, sagt der Vater Mark van den Schoor. „Wir haben Sitzplätze für unsere Kinder. Wir sind sehr zufrieden.“

"Jedes Mal, wenn ich nach Berlin komme, streikt hier irgendwer"

Damit sind die van den Schoors allerdings ziemlich allein. Nur etwa ein Drittel aller Fernzüge kann fahren. Alexandre Lwow ist Matrose aus St. Petersburg und muss zu seinem Schiff nach Amsterdam. Alle zwei bis drei Monate fährt er von seinem Zuhause an der russisch-finnischen Grenze in die niederländische Hauptstadt – mit dem Zug, weil er Flugangst hat. „Jedes Mal, wenn ich nach Berlin komme, streikt hier irgendwer.“ Die dreißig Stunden Fahrt in Bus und Bahn sind ihm anzusehen: Sein Haar ist ungekämmt, die Augen müde und er genervt. Nach einigem Hin und Her am Informationsschalter dann die Gewissheit: Er wird um vier Uhr in Amsterdam ankommen. Sein Schiff wird nicht ohne ihn ablegen.

"Die machen ihren Job nicht"

Am S-Bahnhof Friedrichstraße ist um 6.30 Uhr die Stimmung gereizt. Arbeiter in Overalls diskutieren in der Gruppe. Auf der Anzeigetafel steht nur, dass die S-Bahn vom Streik der Lokführergewerkschaft GDL betroffen sei. Einem Mann platzt der Kragen, er schimpft auf das Bahnpersonal: „Mann, sind die bescheuert alle, genau wie der Weselsky.“ Eine Pendlerin berichtet entgeistert, sie wisse nicht, wie sie pünktlich nach Potsdam zur Arbeit kommen soll. All jenen, die sich nicht auskennen, hilft Rainer Felsen gerne weiter.

Gespanntes Warten. Fahrgäste im U-Bahnhof Alexanderplatz. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Gespanntes Warten. Fahrgäste im U-Bahnhof Alexanderplatz. Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Den ganzen Morgen lang ist er freiwillig am S-Bahnhof Friedrichstraße unterwegs, zeigt auf Pläne, erklärt Routen, führt Touristen zur Bushaltestelle. Auch bei den letzten Streiks hat er seine Freizeit auf dem Bahnhof verbracht, erzählt Felsen. Er ist unzufrieden mit den Bahnangestellten: „Die machen ihren Job nicht.“ Schnell bilden sich hinter dem freundlichen Mann mit Shorts, Sandalen und weißem Bart kleine Schlangen von gestrandeten Fahrgästen, die seine Hilfe brauchen.

Volle Straßen und Zugausfälle

Taxi- und Busfahrer sind vor allem vom Verkehr genervt: „Ich bin schon 20 Minuten im Verzug, die Straßen sind sehr voll“, sagt ein Busfahrer der Linie M85. Auch ein Taxifahrer berichtet, dass der Streik eher mehr Verkehr denn mehr Taxikunden mit sich bringe. Immerhin habe er in den frühen Morgenstunden etwas mehr Kunden gehabt als sonst. Am härtesten trifft der Streik am Dienstag den Regionalverkehr. Hier fallen in Brandenburg zwischen 85 und 90 Prozent aller Züge aus.

Lena Kostial steht am Bahnsteig und erzählt, dass sie jetzt, um 9.15 Uhr, schon längst in Eisenhüttenstadt sein müsste. Die Asyl-Anhörung war für 8 Uhr angesetzt, aber der erste Zug fährt wegen der Ausfälle erst jetzt. Sie ist Dolmetscherin für Swahili und sollte für afrikanische Flüchtlinge übersetzen. Aber ohne Dolmetscher keine Anhörung. „Ich arbeite frei und habe vielleicht einmal im Monat so einen Auftrag. Jetzt bin ich zu spät. Ich weiß nicht, ob die mich überhaupt bezahlen."

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