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Charme-Offensive. Die einstigen Macher der Bar 25 wissen, wie man ein Image kreiert. Sie haben immer wieder Kontakt zu Entscheidungsträgern gesucht und Rundgänge über das Gelände an der Spree organisiert.

© dapd

Bar 25 gewinnt Grundstückstreit: Im großen Strom der Sympathie

Das Spreegrundstück der „Bar 25“ soll nicht an Spekulanten, sondern Aktivisten der Subkultur gehen. Wie es die Clubbetreiber geschafft haben, Politik, Szene und Öffentlichkeit für sich einzunehmen.

Am Mittwoch ist es so weit. Am Mittwoch trifft sich der Aufsichtsrat der Berliner Stadtreinigung (BSR), und wenn der keine Einwände hat gegen den Vertrag, dann ist es tatsächlich geschafft. Dann tritt ein, woran vor einem Jahr noch keiner ernsthaft geglaubt hat: Das Gelände der Holzmarktstraße in Friedrichshain, einst Standort der legendären „Bar 25“, geht zurück an deren alte Macher und ihre Freunde. Keine Spekulanten bekommen den Zuschlag, keine Betonwüsten-Bauer. Sondern Aktivisten der Berliner Subkultur. So jedenfalls lautet die Lesart derer, die das Projekt seit Monaten unterstützen.

Bis das ganz sicher ist, also bis zu diesem Mittwoch, gibt es keine Interviews mehr, sagt Juval Dieziger am Telefon. Das klingt, als wolle er jetzt bloß keinen Fehler begehen auf den letzten Metern. Juval Dieziger ist einer der führenden Köpfe, die das scheinbar Unmögliche möglich machten – eben weil sie in den vergangenen Monaten kaum Fehler begingen.

Im September 2010 schloss die „Bar 25“, der Grundstücksbesitzer BSR hatte sie gezwungen. Auf der anderen Spreeseite eröffneten die Partymacher das „Kater Holzig“ und hatten dort ebenfalls rasch Erfolg. Nun haben sie – mit Gleichgesinnten in der Genossenschaft „Holzmarkt“ vereinigt – im Bieterwettbewerb nicht nur das höchste Angebot abgegeben, sondern auch die Sympathien der Politik, der breiten Öffentlichkeit und der Szene erobert. Es drängt sich die Frage auf: Wie ist ihnen das gelungen?

Die einstigen Macher der Bar 25 verfügen nicht nur über enormen Schaffensdrang, sondern wissen auch, wie man ein Image kreiert. Immer wieder haben sie Kontakt zu Entscheidungsträgern gesucht, haben für eine Abgeordnetenhaus-Fraktion nach der anderen Rundgänge organisiert. Er wisse schon gar nicht mehr, mit wem er alles essen gehen musste, und das sei ihm inzwischen ja auch anzusehen, hat Dieziger vor der Vergabeentscheidung gesagt – und sich dabei schmunzelnd über den gewölbten Bauch gestrichen. Der aus der Schweiz stammende frühere Küchenchef und Mitbegründer der Bar 25 trägt gerne Baskenmütze, dazu dunklen Vollbart. Den Bauch will er sich wieder abtrainieren.

Bei einer der vielen Führungen durch das Ausweichquartier Kater Holzig war auch SPD-Chef Jan Stöß dabei. Mitte Juli zog er mit kleinem Tross über das Gelände, als die freundliche Fassade der Partymacher kurz zu verrutschen drohte. „Wohin geht’s?“, tönte es da plötzlich schroff, ein nicht mehr ganz so junger Mann mit Dreitagebart wollte das wissen. Der zum Ortstermin mitgebrachte Rechtsanwalt des Projekts besänftigte den wachsamen Clubber. Im Anschluss an die Führung erklärte SPD-Chef Stöß die Vergabe des vakanten Grundstücks zum Prüfstein einer neuen Liegenschaftspolitik: Es müsse an den Investor mit dem besten Konzept gehen, nicht zwangsläufig an das höchste Gebot. Zu diesem Zeitpunkt galten die Holzmarktler bereits als Geheimfavorit im Vergabewettbewerb. Dass sie – dank der Hilfe der auf gemeinnützige Projekte spezialisierten Schweizer Pensionskasse „Abendrot“ – auch das meiste Geld bieten würden, war damals nicht abzusehen. „Eine Stiftung aus der Anti-Akw-Bewegung“ hatten die Clubber ihren Geldgeber genannt, doch das trifft es nicht wirklich. Die Schweizer Stiftung ist eine typische Pensionskasse mit nach eigenen Angaben „konservativer Anlagepolitik“ – das sei man seinen „Versicherten schuldig“, heißt es im Geschäftsbericht. Damit wird das Spreegrundstück mit dem Kapital der 1144 Schweizer Arbeitgeber und 8795 Versicherten bezahlt, das die Stiftung anschließend an die Holzmarkt-Genossenschaft verpachtet. Die Zinsen sollen mit Erträgen aus dem Betrieb von Club und Restaurant sowie der Vermietung des geplanten Gründerzentrums und der Studentenwohnungen bezahlt werden.

Gegen Ende des Bieterwettbewerbs begann die Stimmung zu kippen

Im Juli bekam Juval Dieziger (rechts), der aus der Schweiz stammende frühere Küchenchef und Mitbegründer der Bar 25, beispielsweise Besuch von einer SPD-Delegation mit dem Landesvorsitzenden Jan Stöß.
Im Juli bekam Juval Dieziger (rechts), der aus der Schweiz stammende frühere Küchenchef und Mitbegründer der Bar 25, beispielsweise Besuch von einer SPD-Delegation mit dem Landesvorsitzenden Jan Stöß.

© Thilo Rückeis

Auf dem brachliegenden Gelände soll keine neue Bar 25 entstehen, sondern ein Wohn-, Kultur- und Gewerbedorf. Mit Kita, Clubs, einem Hotel, Dachgärten und einem großen, öffentlich zugänglichen Park. Die Ernte aus den Gärten versorgt das Restaurant, auch Bäckerei und Brauerei wird es geben nebst anderem Kleingewerbe am Marktplatz.

Das kommt nicht nur bei den Grünen aus dem Abgeordnetenhaus gut an. Auch der Senator für Stadtentwicklung Michael Müller (SPD) war zunächst überzeugt. Bei der CDU der stellvertretende Fraktionschef Stefan Evers ebenso wie der Sprecher für Clubkultur, Christian Goiny, der schwärmte, als Berliner werde man auf Bar 25 und Kater Holzig ständig und „sogar von den jungen Leuten in Griechenland angesprochen“. Aber galt nicht dasselbe für das Tacheles, das in diesem Jahr geräumt wurde?

Zur Strategie der Holzmarkt-Aktivisten gehörte offenbar auch, aufzuzeigen, dass mögliche Mitbieter um das Gelände Berlin kulturell nicht unbedingt attraktiver machen würden. Über einen Wettbewerber wurde das Gerücht gestreut, dieser wolle am Spreeufer ein Sanatorium für „Beatmungspatienten“ bauen, weil die Betreuung schwer betagter Senioren höchst rentabel sei – was der Rivale aufs Heftigste dementierte. Die Aktivisten haben bunte, großformatige Broschüren gedruckt und sammelten Stimmen aus der Szene. Sie gewannen die Meinungsträger: DJ Sven Väth oder Dimitri Hegemann vom Tresor zusammen mit EU-Kommissarin Neelie Kroes, Autorin Sarah Kuttner mit Ex-Kultursenator Volker Hassemer, CDU und Grüne, Linke und Rechte schlugen sich auf die Seite des Projekts.

Gegen Ende des Bieterwettbewerbs begann die Stimmung zu kippen, vereinzelt machte sich Misstrauen breit. „Da setzen sich Leute für eine Location ein, die sie niemals besucht haben“, ätzte ein führender Berliner Politiker. Auf der letzten öffentlichen Veranstaltung der Genossenschaft nörgelte Grünen-Sprecherin Katrin Schmidberger, die Aktivisten hätten ihr ja schon ein bisschen zu viel auf dem Schoß gesessen. Und unter den Senatoren hat sich inzwischen herumgesprochen, dass in der Genossenschaft die auch sonst üblichen Verdächtigen Mitglied sind: vom Hotelier bis zum Bauträger. Was sich als Graswurzelbewegung gibt, ist demnach knallhartes Geschäft und verspricht Hochprozentiges: Renditen.

Bemerkenswert ist auch, wie es die Macher schafften, die alternative Szene für ihre Idee zu begeistern – und glaubhaft zu versichern, dass dies ein Projekt sei, das wirklich jedem offensteht, der sich einbringen möchte. Gerade die Bar 25 stand nicht jedermann offen. Vielmehr war sie berüchtigt für eine knallharte, oft willkürlich wirkende Türpolitik. Noch zwei Jahre nach der letzten Party werden sich Geschichten erzählt, aus welch abwegigen Gründen Tanzwillige in der Warteschlange nach Hause geschickt wurden: Da wurde ein Student abgewiesen, weil er ein schwarzes T-Shirt trug und „insgesamt zu traurig“ aussehe. Oder ein andermal löste die Türsteherin nebenher Kreuzworträtsel und verwehrte einem Wartenden den Einlass, weil er ihr nicht die Hauptstadt von Neuseeland nennen konnte.

Seit Beginn ihrer Charme-Offensive haben die Holzmarkt-Macher darauf geachtet, sich als öffentliche Veranstaltung zu präsentieren, die vor allem willkommen heißt. Gleichzeitig, und das ist vielleicht ihr wichtigstes Pfund, konnten sie vermitteln, dass es bei der Vergabe des Grundstücks um deutlich mehr ging als das Künstlerdorf – sondern „um nichts weniger als die Zukunft unserer Stadt“, wie im Internet verkündet wurde.

Angesichts der verschärften Debatten um Gentrifizierung und knappen Wohnraum, der geplanten Umgestaltung des Mauerparks und dem Verschwinden von immer mehr alternativen Zwischennutzungen begreifen viele den Holzmarkt als lohnenswertes Zeichen. Ein Gegenpol zur O2-World, die keine anderthalb Kilometer spreeaufwärts liegt.

Wie schnell sich dieses Zeichen materialisieren wird, ist unklar. Sobald der Aufsichtsrat grünes Licht gibt, müssen die Genossen die Details ihrer Planung mit dem Bezirk abstimmen. Da eine neue neue Baugenehmigung erforderlich ist, könnte dies einige Monate in Anspruch nehmen.

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