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Berlin: Barfuß im Regen

Trotz kühler Temperaturen: Hunderttausende kamen zum Karneval der Kulturen

Plötzlich waren Sonnenbrillen hochbegehrt, und der Verkaufsstand auf dem Straßenfest am Blücherplatz wurde zum populären Anlaufpunkt. Nach dem Umzug am regnerisch-kühlen Vortag konnten sich die Besucher des Karnevals der Kulturen gestern hier gegen die unverhofft starken Sonnenstrahlen rüsten. Und so fand das viertägige Open-Air-Ereignis doch noch einen euphorisch stimmenden Ausklang.

Anfangs deutete eigentlich nichts darauf hin: Am Pfingstsonntag hatte es stundenlang gegossen. Zwei Gruppen hatten sich da schweren Herzens entschieden, nicht mehr am großen Umzugsspektakel teilzunehmen. Der große bunte Rest aber wollte sich den Auftritt zum Jubiläum des zehnten Karnevals der Kulturen nicht nehmen lassen.

Dann aber hörte der Regen genau zur richtigen Zeit auf, und als die Show der rund 4500 Akteure auf den Straßen Kreuzbergs begann, kamen die Zuschauer doch noch in Scharen. Nicht ganz so viele wie in den letzten Jahren, aber 700000 haben die Veranstalter an der Umzugstrecke trotzdem gezählt. Die Teilnehmer in den 100 Gruppen hatten viel Spaß – und die Zuschauer auch.

Der große Umzug hat die Erwartungen der Besucher auch diesmal nicht enttäuscht. Leichtes Spiel hatten die Sambagruppen. Die größte, mit rund 300 Teilnehmern, hat denn auch gestern einen der Preise für die schönste Gruppe bekommen. Die Jury wählte Sapucaiu no Samba vor der Comparsa Chamanes und der mexikanischen Künstlergruppe La Calaca mit den Mariachi International El Dorado aus. Alle drei Gruppen bekommen jeweils 1000 Euro Preisgeld als kleine Unterstützung, damit sie auch im nächsten Jahr mit Kostümen und neuen Dekorationen wieder dabei sein können. Bei der Samba-Gruppe funktioniert das bestens. Sie bekam den Preis zum vierten Mal.

Viele Gruppen waren in dem Zug, der wieder stundenlang vom Hermannplatz bis zum Rathaus Kreuzberg brauchte, nicht das erste Mal dabei. Die KungFu Academy zum Beispiel gehört mit ihren beiden überdimensionierten Löwenkostümen zum Pflichtprogramm, genauso wie die weiß gewandeten Tänzer der brasilianischen Gruppe Afoxé Loni, die auch beim zehnten Mal den Zug angeführt hat. Es ist ein Ritus, der seine Wurzeln im nordbrasilianischen Bahia hat. Denn symbolisch reinigen sie die Straße für den Karnevalszug. Eher seltene Gäste sind die Tänzer, die zu polynesischer Musik unterwegs waren. Zumindest die Männer, die vor dem Sattelschlepper der brandenburgischen Badelandschaft Tropical Island tanzten, werden sich wohl kalte Füße geholt haben: Sie wateten barfuß durch die Pfützen.

Mindestens noch einmal so viele Gäste wie beim Umzug kamen nach Angaben der Veranstalter zum Straßenfest rund um den Blücherplatz. Am Pfingstmontag waren es mehrere tausend Besucher, die vor den vier Bühnen ausgelassen tanzten oder mit einer Caipirinha oder einer Chinapfanne den Karneval beschlossen.

Zwischen der heimeligen Heiterkeit des Straßenfestes und dem treibenden Trommelrhythmus des Umzugs finden sich aber nicht nur Frohsinn und Gelassenheit, sondern auch die Probleme und Belange derer, die sonst eher selten die Möglichkeit haben, sich über den Umweg des karnevalistischen Frohsinns Aufmerksamkeit für ihre Anliegen zu verschaffen. Wie etwa der Verein „Hydra“, der die Interessen von Prostituierten vertritt.

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