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© Kitty Kleist-Heinrich

Bauausstellung: So schön kann Wohnen sein

Eine Bauausstellung für Tempelhof soll kommen. Sie kann der Stadt Impulse geben – wie ihre Vorgänger.

Fast 20 Familien, die am Lützowplatz wohnen, können über das Wort „Internationale Bauausstellung“ nur bitter lachen. Sie sind die letzten, die in einem einst hochgelobten Modellhaus leben, das der Eigentümer wegen „gravierender Bauschäden“ abreißen will. Die Bewohner verstehen nicht, warum ein IBA-Haus nach rund 20 Jahren „plattgemacht“ wird. Der Begriff Bauausstellung hat eben einen guten Klang. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, die eine neue IBA ankündigt, will allein schon mit diesem Schlagwort ein Signal des Aufbruchs geben. Damit hat sie das vermutlich im nächsten Jahr stillgelegte Tempelhofer Flughafengelände fast schon städtebaulich aufgewertet oder besser: sie hat es noch interessanter gemacht. Denn bisherige Bauausstellungen haben seit Jahrzehnten viel in der Stadt bewirkt, sie haben zu neuen Wohnformen und modellhafter Stadtreparatur beigetragen.

„Bau und Landschaft“ soll nach Auskunft der Senatsbaudirektorin das Thema der neuen Bauausstellung für das berühmte Flugfeld sein, Details werden erst entwickelt, mögliche Nutzungen „definiert“. Der Zeithorizont beträgt mindestens zwanzig Jahre, was bei der anspruchsvollen Aufgabe nicht überrascht.

Die neue IBA wird an den Erfolgen der vorhergehenden Bauausstellung gemessen - das waren vor allem die IBA 1987, die Interbau 1957 mit der Modellstadt Hansaviertel im Westteil - und auch ein vergleichsweise bescheidener Vorläufer, die Deutsche Bauausstellung 1931 mit dem Thema „Die Wohnung in unserer Zeit“, organisiert von Ludwig Mies van der Rohe, und eine Folge des „Reformwohnungsbaus“ der zwanziger Jahre.

Die Interbau, deren Jubiläum in diesem Jahr an den Bau des Hansaviertels erinnerte, war die populärste Bauausstellung der Stadt, weil sie überschaubar war, einen zerstörten Stadtteil mit einer Architektur von internationalem Rang schuf. Walter Gropius, Oscar Niemeyer, Max Taut, Alvar Aalto – mehr als 50 hochrangige Planer interpretierten ihre Vorstellungen modernen Bauens. So entstanden 1160 Wohnungen in gelockerter Bauweise am Tiergartenrand. Zur Interbau gehörten auch die Kongresshalle und das Corbusier-Haus in Charlottenburg.

Dreißig Jahre später war die IBA das Ergebnis einer Wende in der West-Berliner Stadtplanung, die sich von der Flächen- und Kahlschlagsanierung und von den Trabantenstädten verabschiedete. Dafür sollte die innere Stadt wiederbelebt werden, vor allem das Kreuzberger Gebiet um Friedrich- und Lindenstraße, der verödeten Randlage zu Ost-Berlin. Unter der Leitung von Josef Paul Kleihues wurde die IBA-Neu eingerichtet, die sich um die „kritische Rekonstruktion“ der historischen Stadtgrundrisse bemühte, für die „behutsame Stadterneuerung“ war die IBA-Alt unter dem Architektenkollegen Hardt-Waltherr Hämer zuständig. Insgesamt gab es 28 Architektur- und Städtebauwettbewerbe, mehr als 2500 neue Wohnungen entstanden, auch am Tiergartenrand, am Prager Platz oder im Tegeler Hafen. In der Luisenstadt und in „SO 36“ wurden 4000 Altbauwohnungen saniert, die Investitionssumme betrug fast zwei Milliarden Euro.

Rund 150 internationale Planungsbüros waren am Werk, darunter Rob Krier, Charles Moore, Peter Eisenman, Aldo Rossi oder auch Rem Koolhaas. Auf IBA-Planungen geht das Jüdische Museum von Daniel Libeskind zurück. Die Ausstellung war ein Vorzeigeprojekt im Schatten der Mauer, aber auch ein stilles Eingeständnis von Senat und Stadtplanung, dass es mit der Wiedervereinigung wohl nichts mehr wird. Die IBA wurde im Westteil Bestandteil der 750-Jahrfeier Berlins 1987 – und als nach Wende und Mauerfall der Bauboom in der Stadtmitte einsetzte, verlor die Bauausstellung schnell an Anziehungskraft, wurde von Kritikern sogar „Provinzidyll“ genannt. Das besteht jetzt offiziell 20 Jahre – kaum noch beachtet. Alle Bauausstellungen aber gaben Impulse, vermittelten Aufbruchstimmung, Optimismus, die Aussicht auf neue Wohn- und Lebensformen, auf interessante Architektur. So könnte auch das Tempelhofer Feld zum weltweit beachteten Experimentierfeld werden. Dass aber bei Bauausstellungen auch nur mit Steinen gebaut wird, die bröckeln und Häuser „unwirtschaftlich“ machen, das gehört ebenso zu den Erkenntnissen, etwa am Lützowplatz.

Christian van Lessen

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