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Der Baum drückte das Autodach komplett ein. Zwei Frauen mussten von der Feuerwehr befreit werden. Sie blieben nach Polizeiangaben unverletzt.

© dpa

Baum stürzt auf Auto: Gutachter soll Ursache klären

Zwei Frauen kamen mit dem Schrecken davon, als eine alte Linde auf ihr Fahrzeug fiel. Tausalz, Urin und Bauarbeiten setzen dem Straßengrün zu. Der Bezirk hat die Verkehrssicherungspflicht, muss aber nicht automatisch für Schäden aufkommen.

Der Baumstamm stürzte auf die Sitzlehnen und ließ sie „nach hinten wegbrechen“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Wäre der Stamm 20 Zentimeter weiter vorne eingeschlagen, hätten die beiden Frauen im Opel-Kombi wahrscheinlich keine Chance gehabt. Am Montagabend warteten sie an der Kreuzberger Großbeerenstraße vor einer Ampel, als plötzlich eine rund 100 Jahre alte Linde auf ihr Auto stürzte. Einfach so, ohne erkennbare Ursache.

Die beiden Frauen blieben ohne äußere Verletzungen, kamen aber zur Beobachtung in verschiedene Krankenhäuser. Sie hatten „großes Glück“, sagte der Sprecher. Die Feuerwehr brauchte Stunden, um sie aus ihrem zerquetschten Auto zu befreien. Vor anderthalb Jahren hatte es in der Möckernstraße einen ähnlichen Fall gegeben. Damals stürzte ein Baum auf ein Taxi, das gerade die Straße entlangfuhr. Der Fahrer konnte noch ausweichen, so dass nicht der Stamm, sondern nur die Baumkrone auf seinen Mercedes stürzte. Auch er blieb unverletzt.

Die Linde – 15 Meter hoch und 2,5 Meter im Umfang – sei „vollkommen überraschend“ umgefallen, sagt der zuständige Stadtrat Hans Panhoff (Grüne). Der alte Baum sei regelmäßig kontrolliert worden. 2009 habe ein Baumgutachter „leichte Schädigungen“ und einen „Schrägstand“ festgestellt, daraufhin wurde die Krone ausgelichtet. Der Gutachter habe damals keine Fällung empfohlen, betonte Panhoff. Nach ersten Erkenntnissen sei eine „Schädigung im Wurzelbereich“ die Ursache für den Baumfall. Ein anderer Gutachter soll nun das genaue Schadensbild ermitteln. Das zersägte Holz sei dazu auf einem Werkhof des Bezirkes gesichert worden. Zu möglichen Schadensersatzansprüchen wollte sich Panhoff nicht äußern.

Kurz vor dem Baumsturz soll es in der Straße Bauarbeiten gegeben haben. Die Tiefbaufirmen sind neben Tausalz und Urin die ärgsten Feinde der Straßenbäume. Eigentlich müssten Schachtarbeiten in Baumnähe per Hand gemacht werden, damit keine größeren Wurzeln durchtrennt werden, aber „da hält sich niemand dran“, sagt Straßenbaumexperte Christian Hönig vom BUND. „Die Bezirke wissen das, haben aber kein Personal, um die Firmen zu kontrollieren.“

Von den 440 000 Berliner Straßenbäumen sind viele überaltert, weil sie in den 1950er und 60er Jahren gepflanzt wurden. Trotz regelmäßiger Kontrolle fallen immer wieder Bäume um. Pankows Baustadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) schätzt, dass in seinem Bezirk jedes Jahr fünf bis zehn Straßenbäume eines natürlichen Todes sterben. Meistens wegen eines fortgeschrittenen Pilzbefalls, der sogenannten Wurzelfäule, die von außen schlecht erkennbar ist. War der Pilzbefall von außen nicht erkennbar, gilt ein Baumsturz als höhere Gewalt.

Wurzelfäule war auch der Grund für den Baumsturz auf das Taxi im Juli 2011. Damals leistete der Bezirk laut Panhoff keinen Schadensersatz. "Das ist ein Fall für die Vollkaskoversicherung".

Die meisten Straßenbäume werden nach einer „visuellen Begutachtung“ als krank oder sturzgefährdet eingestuft und anschließend beschnitten oder abgesägt. In Pankow wurden 2011 rund 600 Straßenbäume der Kettensäge überlassen, in Friedrichshain-Kreuzberg etwa 300, berlinweit waren es rund 4000. Panhoff sieht den aktuellen Fall als Anlass, über die Fällpolitik des Bezirks neu nachzudenken. "Der Diskurs muss in eine andere Richtung verschoben werden." Es könne nicht sein, dass wegen der Fällung eines einzigen Baumes mehrere Gutachten angefertigt werden, weil Anwohner die Entscheidung des Bezirksamtes anzweifeln. Schon jetzt sei die regelmäßige Kontrolle von 15.000 Straßenbäumen im Bezirk wegen der angespannten Personalsituation kaum noch zu leisten.

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