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Berliner Zauneidechsen, die grüne ist ein Männchen.

© Thomas Loy

Bauprojekt der Bahn in Adlershof: Wie Echsen beim Umzug geholfen wird

Die geschützten Zauneidechsen lieben verwilderte Güterbahnhöfe. In Adlershof müssen sie jetzt umziehen, bevor die Bagger kommen – ein Biologe hilft dabei.

Der Weg zu des Echsen ist staubig und steinig, ein Offroad-Trip durch das künftige Berlin. Die beiden PR-Mitarbeiterinnen der Bahn sind froh, dass ein Journalist sie in seinem Auto mitnimmt. Zu Fuß in dieser gleißenden Savanne, zwischen alten Schwellen und Geröll, ohne Wasser und Wanderschuhe – ein Albtraum. Am Ende öffnet sich überraschend ein kleines hügeliges Paradies, entstanden auf alten Bahndämmen, das Zuhause der artengeschützten Zauneidechse.

Die Bahn verwandelt 40 Hektar aufgelassene Gleisanlagen zwischen den S-Bahnhöfen Schöneweide und Adlershof in einen modernen Dienstleistungs- und Gewerbestandort, zusammen mit dem Senat. Es ist die dritte und letzte Ausbaustufe der Wissenschaftsstadt Adlershof. Der Standort ist begehrt, die Flächen sind schnell verkauft.

Nico Stenschke, studierter Biologe, sucht täglich nach Zauneidechsen in den Fangeimern.
Nico Stenschke, studierter Biologe, sucht täglich nach Zauneidechsen in den Fangeimern.

© Thomas Loy

Doch bevor die Bagger rollen, müssen die Zauneidechsen professionell eingefangen und umgesiedelt werden. Das ist der Job von Nico Stenschke, studierter Biologe, Spezialgebiet eigentlich Vögel, die ärgsten Feinde der kleinen Echsen. Doch mit den Reptilien hat er sich inzwischen auch angefreundet. 1600 hat Stenschke in den vergangenen zwei Jahren eingefangen. Ursprünglich hatten die Gutachter der Bahn nur eine Gesamtpopulation um die 200 Tiere geschätzt.

Die Bahn muss dem Umzug organisieren

Die Echsen mögen stillgelegte Bahnanlagen, weil sie mit viel Sonne, Sand und Gleisresten ein idealer Wohnstandort sind. Die Bahn muss überall, wo sie Flächen entwickelt, für Ersatzwohnraum sorgen und den Umzug organisieren. Das wird sich auf dem Bahngelände in Adlershof noch einige Jahre hinziehen, weil die Naturschützer darauf bestanden haben, dass nur auf den Flächen umgesiedelt wird, die konkret für den Verkauf vorbereitet werden.

Bitte lächeln.
Bitte lächeln.

© Thomas Loy

Jeden Tag muss Nico Stenschke etwa 150 Eimer kontrollieren, aufgestellt an langen Zäunen aus grüner Folie. Die Tiere wandern auf Nahrungssuche an den Zäunen entlang und stürzen in einen Eimer. Zwischen fünf und 15 Exemplare findet der Biologe am Tag. Am Freitagmorgen sind die Fangeimer allerdings geschlossen. Wegen der Hitze könnten die Tiere in den Eimern umkommen.

Die meisten Zauneidechsen wurden in den vergangenen Jahren in den Landschaftspark Herzberge gebracht. Dort ist die Aufnahmekapazität erschöpft. Inzwischen trägt Stenschke die Echsen nur ein paar hundert Meter weiter in ein Biotop, das gerade mit Büschen, Steinhaufen und Baumstämmen für die Echsen hergerichtet wird. Stenschke hat seine mühevolle Arbeit („150 Mal bücken“) schon mit 13 Zeckenbissen bezahlt.

35 Millionen Euro kostet die Erschließung

Die Bahn will die Kosten für die Umsiedlung nicht beziffern, für die gesamte Erschließung geben Bahn und Land Berlin zusammen 35 Millionen Euro aus. Sieben Millionen Euro hat allein die Verlegung eines Fernbahngleises gekostet, erst dadurch wurde der ehemalige Güter- und Rangierbahnhof zugänglich. Das neue Viertel mit Bürohäusern, Produktionshallen, Einzelhandel und Gastronomie soll bis 2020 fertig sein.

Erreichbar ist das Gelände über den „Betriebsbahnhof Schöneweide“, der seinem Namen gemäß vor allem ein dienstlicher Halt für Bahnangestellte auf dem Güterbahnhof und in der S-Bahn-Hauptwerkstatt war und immer noch ist. Künftig wird hier mehr los sein, die Pendler werden dann im umbenannten Bahnhof „Adlershof-Johannisthal“ aussteigen und auf dem Gustav-Hertz-Platz empfangen.

Geplant ist auch eine neue Radwegbrücke über die Bahngleise, sie soll den Landschaftspark Johannisthal mit der Köllnischen Heide verbinden und ebenfalls 2020 fertig sein. Aktuell werden die Erschließungsstraßen für das neue Stadtviertel gebaut.

Die Zauneidechse ist in Deutschland streng geschützt, weil sie wegen der intensiven Landwirtschaft kaum noch Rückzugsräume hat. In einer Stadt wie Berlin konnten sich die Echsen wegen der vielen Brachflächen gut entwickeln. Wenn solche Flächen jetzt verstärkt für Bauprojekte herangezogen werden, müssen die Bauherren neue Lebensräume in bestehenden Parks oder Grünanlagen gestalten. Auch private Gärten können Zauneidechsen beherbergen, wenn für ruhige Plätze zum Sonnenbaden und Jagen von Spinnen oder Grashüpfern gesorgt ist.

Während sich die Bahn als großer Player vergleichsweise vorbildlich um Naturschutz kümmert, gebe es bei vielen kleineren Bauherren Probleme, sagt Nico Stenschke. Die würden oft losbauen ohne abzuklären, ob sich auf dem Standort geschützte Arten befinden. Auch alter Baumbestand darf nicht einfach umgelegt werden. Auf dem ehemaligen Güterbahnhof Pankow (Projekt Pankower Tor) gab es Ärger, weil Lebensraum der geschützten Kreuzkröte vernichtet wurde.

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