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Schon wieder. Txus Parras hat das Tacheles mitgegründet, nun könnte sein neues Projekt scheitern.

© Robert Klages

Bauvorhaben in Berlin abgelehnt: Lichtenberg will Künstler-Initiative nicht

Die „Kulturbotschaft“ sieht sich als Gegenentwurf zur Gentrifizierung. Eine Stadträtin sieht in dem Projekt nicht die Lösung, sondern das Problem.

Das Kunsthaus Tacheles in Mitte war legendär. 2012 wurde es geräumt. 2014 kaufte ein US-Investmentkonzern die Fläche an der Oranienburger Straße. Nun entstehen dort Wohn- sowie Geschäftsgebäude: Das „Tacheles-Quartier“. Einige der einstigen Künstler gründeten daraufhin vor rund einem Jahr die „Kulturbotschaft“ in Lichtenberg. Eine ehemalige Bauschlosserei soll in einen Ort für kreatives Gewerbe verwandelt werden. Doch der Bezirk Lichtenberg hat das Bauvorhaben abgelehnt.

Baustadträtin Birgit Monteiro (SPD) befürchtet „städtebauliche Spannungen durch die negative Vorbildwirkung“. Öffentliche Ausstellungen seien in dem Gewerbegebiet an der Herzbergstraße nämlich verboten. Lediglich die Produktion von Kunst erlaubt. Die „Kulturbotschaft“ allerdings sei als begehbares „Gesamtkunstwerk“ zu verstehen, wo Besucher empfangen und Werke präsentiert werden.

"Wir müssen weg durch einen Mix aus Vorurteilen"

Die Absage des Bezirks ist ein herber Rückschlag. Man sei darauf angewiesen, in einem Gewerbegebiet zu produzieren, denn die Arbeit erzeuge Lärm und Dreck. „Wir müssen nicht weg durch böse Investoren! Nein, wir müssen weg durch einen Mix aus Vorurteilen, Bürokratie, politischem Kleinkrieg und Ignoranz“, schreiben die Künstler. Die Kulturbotschaft wolle der Subkultur eine Plattform bieten und einen Gegenentwurf zur Gentrifizierung schaffen. In ganz Berlin sei kein Platz mehr für diese Art der Kultureinrichtungen und die Stadt sei auf dem Weg, teuer und eintönig zu werden.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hat sich bereits im September für ein Ende des Ausstellungsverbots ausgesprochen. Doch Monteiro ignorierte die Bausenatorin. Da der Streit um das Gebiet auch innerhalb des Bezirksamtes so festgefahren ist, hatte es mehrere Runde Tisch gegeben. Dort wurde zuletzt beschlossen, dass die bestehenden Nutzungen in dem Gewerbegebiet erhalten bleiben sollen. In der Herzbergstraße soll die eingeschränkte Nutzung erweitert und Genehmigungen für Ausstellungen geprüft werden. „Die Künstler stehen ja in keiner Konkurrenz zum Gewerbe“, sagte der stellvertretende Leiter des Stadtentwicklungsamtes, Klaus Güttler-Lindemann. Das entstandene Kunstgewerbe sei bereits Teil des Gebietes geworden. Monteiro sieht die „Kulturbotschaft“ jedoch nicht als alteingesessen.

Kultursenator Lederer für Straßen-Ausstellung

Obwohl diese die Adresse Herzbergstraße 53 trägt, liegt sie nicht in Straßennähe. Man muss einige Meter gehen, einen schmalen Weg, an einem Schrotthändler vorbei. Die Künstler haben Schilder gemalt, die den Weg weisen. Stadträtin Monteiro zeigt auf einer Karte, dass die „Kulturbotschaft“ eindeutig außerhalb des Bereiches liegt, in dem Ausstellungsgenehmigungen geprüft werden sollen. Zudem verfüge sie über kein Wegerecht. Es sei keine Zustimmung der Eigentümer der Grundstücke, die passiert werden müssen, vorgelegt worden.

Nicht nur bei der Kulturbotschaft fragt man sich, ob die Stadträtin da nicht etwas zu genau hinschaut. Auch Kultursenator Klaus Lederer (Linke) würde die Straße gerne für Ausstellungen öffnen. „Mir ist wirklich nicht verständlich, warum die Bezirksstadträtin hier eine solche Energie an den Tag legt, um Kunst und Kultur an der Herzbergstraße zu vertreiben.“

Stadträtin droht mit 500.000-Euro-Strafe

Lucas Böttcher von der Kulturbotschaft widerspricht außerdem der Argumentation der Stadträtin. Die öffentlichen Termine in den Räumlichkeiten seien keine Zurschaustellung von Kunst, sondern Mitarbeitertreffen. „Ein Besucherverkehr im Sinne von Galerie ist nicht vorgesehen“, so Böttcher. Man wolle nicht vor Ort, sondern medial ausstellen und im Internet die Fortschritte der Kunstproduktionen dokumentieren. Und der Vermieter habe damit auch kein Problem.

Neben der „Kulturbotschaft“ befindet sich die „Fahrbereitschaft“ – hier sind Ateliers auf dem ehemaligen SED-Gelände angesiedelt. Kunstsammler Axel Haubrok würde gerne eine große Kunsthalle errichten und eine historische SED-Kegelbahn plus Gelände für Publikum öffnen. Doch Monteiro drohte ihm eine Strafe von einer halben Million Euro an, sollte er dort noch einmal öffentlich Kunst zeigen. Zwar hat sie selbst einmal eine Ausstellung dort eröffnet – dies bezeichnet sie heute allerdings als einen Fehler.

Monteiro will Hohenschönhausen für Künstler attraktiv machen

Aus Protest gegen das Ausstellungsverbot sagten Haubrok sowie viele Künstler der Herzbergstraße zur „Langen Nacht der Bilder“ des Bezirks im September ab. An diesem Tag wäre es erlaubt gewesen, Kunst auszustellen. Haubrok will seine Kunsthalle nun an einem anderen Ort errichten. Für den Bezirksbürgermeister, Michael Grunst (Linke), ein Verlust. Er stimmt hier mit seiner Stadträtin nicht überein. Zahlreiche bekannte Künstlerinnen und Künstler aus Berlin schrieben Briefe an Monteiro. Darunter Judith Hopf, die ein Atelier in der „Fahrbereitschaft hat, und Annemarie Vanackere, Intendantin des Hebbel am Ufer. Die Fahrbereitschaft habe für die Ansiedlung weiterer Betriebe gesorgt und Arbeitsplätze geschaffen, so ihr Argument.

Nun ist Berlin eine Stadt, in der viele gegen Gentrifizierung kämpfen. Auch Monteiro sagt, der Verdrängung Einhalt gebieten zu wollen. Ausstellungen würden Touristen anlocken und zudem das Gebiet aufwerten, sodass das Gewerbe vor Ort bedroht sei. Eine international angesehene Kunsthalle sei hier im Gewerbegebiet nicht vorgesehen.

Haubrok und andere hätten vor der Ansiedlung gewusst, auf was sie sich hier einlassen, erklärt Monteiro. Außerdem wären die Grundstücke nicht so günstig gewesen, wenn anderweitige Nutzungen als Gewerbe vorgesehen wären. Schon jetzt würden Grundstückseigentümer Brachen entstehen lassen und damit spekulieren. Lichtenberg habe seit 1995 ein Drittel seiner gewerblichen Flächen verloren.

Monteiro plant derzeit, Hohenschönhausen für Künstler attraktiver zu machen. Entlang der und in den ehemaligen Stasi-Gebäuden wachsen schon Ateliers. In diesem Jahr soll es dort erste große Ausstellungen geben.

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