Es sind Menschen wie Wolf Osthaus, die dem Protest gegen die neuen BBI-Flugrouten das Gesicht geben: bürgerlich, bodenständig und besorgt um den eigenen Besitz. 2006 hatte der 38-jährige Jurist ein Haus in Kleinmachnow gekauft, nachdem er sich die BBI-Planungen „sehr genau angeschaut“ hatte und zu dem Schluss gekommen war: „Alles in Ordnung!“ Nun steht Osthaus mit einem notdürftig aus einem Stück Pappkarton und einer Kleiderstange zusammengebauten Schild auf dem Teltower Marktplatz: „Ehrlich planen! Kein Betrug“ steht auf der einen Seite, „Ruhe für unsere Kinder“ auf der anderen.
„Ich bin sicherlich der klassische Typus ,aufgeschreckter Bürger’“, sagt Osthaus lachend mit einem Blick auf das arg improvisierte Schild. Er, der zuletzt „zu Studentenzeiten gegen irgendwelche Mittelkürzungen demonstriert“ hat, sieht sich plötzlich genötigt, für seine Interessen und die seiner vier und sechs Jahre alten Kinder auf die Straße zu gehen. „Wenn Flugzeuge in 1000 Metern Höhe über den Garten fliegen, ist es ganz schnell vorbei mit der Ruhe, wegen der wir damals von Spandau nach Kleinmachnow gezogen sind.“

Wer Geschichten wie diejenige von Wolf Osthaus hört, versteht die Erregung der Leute, die trotz Wind und Regen auf dem bis in die Seitenstraßen gefüllten Teltower Marktplatz zusammengekommen sind. Der Zorn, der sich in „Arschloch“- und „Heuchler“-Rufen in Richtung Klaus Wowereit und Matthias Platzeck entlädt und wegen dem die Redner aus den Bürgerinitiativen und der Bezirkspolitik ihre Reden immer wieder unterbrechen müssen, bezieht sich weniger auf den Flughafen an sich. Der soll ruhig kommen, sagen viele, während wieder andere – angeregt wohl vom Protest um das Stuttgarter Bahnprojekt „Stuttgart 21“ – vehement einen Baustopp fordern. Es ist vor allem die Nichtverlässlichkeit, die die Bürger aufseiten der Politik vermuten.

„Ich hab ’ne Schwester, die hat in Blankenfelde gebaut“, berichtet etwa Winfried Roseneck aus Lichtenrade. „Die hat immer damit gerechnet, in der Einflugschneise zu leben.“ Schlimmer als die Tatsache, das Menschen vom Fluglärm betroffen sind, sei vielmehr der Wortbruch: „Ich muss mich auf etwas verlassen können, und hier sind wir belogen worden.“ Dass Klaus Wowereits flapsige Bemerkungen, wonach mit den neuen Routen lediglich „andere“, keinesfalls aber mehr Menschen vom Fluglärm betroffen seien, hier, als einer der Redner sie zitiert, besonders erregte „Buh“-Rufe erntet, auch das ergibt sich aus Einzelschicksalen wie dem Rosenecks. Der befürchtet, nun bald rund um die Uhr Flugzeuge in 600 Metern Höhe über seinem Grundstück zu haben. „Das wäre die Hölle.“
Doch wie erschüttert ist das Vertrauen der Bürger gegenüber den Mandatsträgern aus der Politik, denen hier alle – Redner wie Demonstranten – die Schuld am Desaster um die neuen Routen der Deutschen Flugsicherung geben? „Sehr“, sagt der 47-jährige Neu-Demonstrant Winfried Roseneck und führt an, wie sein Heimatort Lichtenrade im letzten Jahrzehnt durch verschiedene verkehrspolitische Entscheidungen „buchstäblich zerhackt“ worden sei. „Wenn jetzt noch der Lärm von oben kommt, dann gute Nacht.“ In die Politik habe er bereits seit den Querelen um die Planung der B96 kein Vertrauen mehr.
Ganz so pessimistisch, was die demokratischen Institutionen angeht, ist der neun Jahre jüngere Wolf Osthaus nicht. „Ich gehe immer noch wählen“, versichert er, allein: „Man muss auch abseits von Wahlen seine Stimme erheben.“ Demonstrationen seien dazu ein legitimes Mittel, zumal wenn – wie im Fall der BBI-Flugrouten – derart viele Menschen direkt betroffen seien. Johannes Schneider
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