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Berlin: Beamte drohen mit Dienst nach Vorschrift

Nach den geplatzten Solidarpakt-Gesprächen gehen die Gewerkschaften auf Streikkurs

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Von Sabine Beikler

und Susanne Vieth-Entus

Der Ton zwischen Gewerkschaften und Senat wird immer schärfer: Nach dem Platzen der Gespräche über den Solidarpakt hatte die Landesregierung „einseitige Maßnahmen“ wie die Arbeitszeitverlängerung für Beamte von 40 auf 42 Stunden oder den Austritt aus den Arbeitgeberverbänden angekündigt. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnt inzwischen eine Rückkehr an den Verhandlungstisch ab, DGB und Verdi signalisieren noch Gesprächsbereitschaft. Inzwischen schließen die Gewerkschaften Streiks nicht mehr aus.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte die Beamten vor Arbeitsniederlegungen. Das hätte „beamtenrechtliche Konsequenzen“, sagte Körting dem Tagesspiegel. Beamte hätten kein Streikrecht.

Mieke Senftleben, bildungspolitische Sprecherin der FDP, verurteilt den Einstellungsstopp als „unverantwortlich“. Offensichtlich habe Bildung für SPD und PDS jegliche Priorität verloren. Über qualitative Verbesserungen brauche man schon gar nicht mehr sprechen. Siglinde Schaub von der PDS appellierte an die Gewerkschaften, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Bildungssenator Klaus Böger (SPD) wollte sich nicht zu den Konsequenzen des Sparpakets äußern, sondern neue Angebote der Gewerkschaften abwarten. So blieb unklar, inwieweit der Senat die Unterrichtsverpflichtung für Lehrer hochsetzen will. Innensenator Körting bezieht sich auf den Rechnungshof, der gefordert hatte, die Pflichtstundenzahl der Lehrer an den „Höchstwert anderer Bundesländer“ anzugleichen.

Bei einer Arbeitszeitverlängerung von 40 auf 42 Stunden rechnet der Senat mit dem Wegfall von rund 2900 Stellen bei Lehrern, Justiz sowie im Justiz- und Polizeivollzug. GdP-Sprecher Klaus Eisenreich sieht für die Beamten, die ohnehin Überstunden machen würden, keine Möglichkeit des Freizeitausgleichs mehr. Körting erkennt dieses Problem auch, sagt aber, dass die Einführung der 42-Stunden-Woche eine „zeitweilige Notmaßnahme“ sei und kein Dauerzustand.

Durch eine Arbeitszeiterhöhung für Beamte prognostiziert Joachim Jetschmann, Vorsitzender des Beamtenbundes in Berlin, einen „dramatischen Anstieg der Krankheitsquote“. Auch wenn das Streikrecht nicht für Beamte gelte, könnten die Betroffenen ihren Unmut über die höheren Arbeitszeiten durch „Dienst nach Vorschrift“ äußern. Bescheide würden dann auch „sehr gründlich“ bearbeitet werden. Ob man Beamte zum Ungehorsam aufrufen werde, will Bernd Rissmann „sorgfältig diskutieren“. Der DGB-Landesvize sieht noch Chancen auf weitergehende Gespräche mit dem Senat – „allerdings nur dann, wenn die Tarifverträge nicht ausgehöhlt werden“. Das Angebot der Arbeitnehmervertretungen stehe nach wie vor, über „umfangreiche Arbeitszeitmodelle“ zu reden, sagte Verdi-Grundsatzreferent Burkhardt Thiemann. Die Landesregierung müsse sich jedoch von ihren „Maximalforderungen“ verabschieden. Rissmann will das Einsetzen eines Schlichters „nicht ganz ausschließen“. Nur werde sich der Senat davon nicht beeindrucken lassen.

Als „Katastrophe“ bezeichneten Lehrer, Eltern und Experten den Einstellungsstopp und die Arbeitszeiterhöhung für Lehrer. Angesichts der Überalterung der Lehrerschaft und des großen Reformbedarfs in Folge von Pisa kann sich allerdings kaum jemand vorstellen, dass der Senat diese Kürzungen tatsächlich realisiert. „Eine Besetzungspause wäre eine Katastrophe und schädigte die Schulen in enormer Weise“, steht für den Erziehungswissenschaftler und FU-Vizepräsidenten Dieter Lenzen fest. Wegen der „Bugwelle“ von Pensionierungen sei es notwendig, das Personal zu erneuern. „Wenn sich Gewerkschaften und Senat nicht einigen, können wir einpacken“, sagt auch Elisabeth Willkomm, Vorsitzende des Landesschulbeirates. Sie befürchtet einen schulpolitischen „Rückfall“, wenn die Einsparungen durchgezogen werden würden.

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