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Begegnung mit Amal und Christian: Von Brüdern und Netzwerken

Gut zwei Wochen ist es her, dass Christian Webers Text über seine heimliche Beziehung zu einer kurdischen Muslima die Tagesspiegel-Redaktion erreichte. Bei einem Treffen lernten wir die beiden in der letzten Woche kennen - und erfuhren noch mehr über die Hintergründe und Hoffnungen ihrer Beziehung.

Konspiration kann auch munter sein. Unser erster Anruf bei Christian Weber, der eigentlich anders heißt, erreicht ihn in seiner Wohnung, gemeinsam mit Amal, auch das ein Pseudonym. „Sie hat grad gekocht, ausnahmsweise“, sagt er und lacht. „Aber wie für eine Großfamilie. Da kann ich noch eine Woche von essen.“ Apropos Woche – ein gutes Stichwort: ob ein Treffen möglich wäre, noch in dieser Woche, um Fragen zum Text, den Weber uns vor einigen Tagen zuschickte, zu klären; auch, um sich von seiner und Amals Glaubwürdigkeit zu überzeugen.
Das Treffen kommt zustande, in einem Café, irgendwo im Großraum Berlin. Szenerie in Kürze: zwei offene Gesichter, er ein Stück älter als sie, kein Kopftuch, nirgends: „Religion spielt in meiner Familie gar keine große Rolle“, sagt Amal, die sich selbst als „gläubig“ bezeichnet, aber in dem, was vordringlich die Brüder ihr täglich antun oder androhen, wenig Spirituelles erkennen kann: „Da geht es darum, in der Gemeinschaft etwas zu gelten. Die zählt mehr als ein einzelner Mensch. Mit dem Islam hat das erst mal wenig zu tun.“

Doch wie kann es nun sein, dass Amal, Mitte 20, noch nicht verheiratet ist? Und wie konnte ihre Liebe zu einem eher konservativen Deutschen je entstehen? Von einer Familie ist die Rede, die die aufmüpfige Amal in den letzten Monaten etwas in Ruhe lässt – vielleicht auch, weil sie deren Schriftverkehr mit Behörden erledigt; von Netzwerken außerhalb der kurdischen Community, die Amal schon zu Schulzeiten bildete. „Leute haben nach mir gefragt. Das hat mich geschützt“, glaubt sie. Diese Netzwerke waren es auch, die Amal bei einer Veranstaltung Christian kennen- und trotz kultureller Differenzen – „Ein Mann, der kocht: Das war schon sehr seltsam“ – lieben lernen ließ.

Wie groß die Liebe ist, das zeigen an diesem Nachmittag Blicke, Gesten, auch Dispute. Was passieren wird, wenn alles auffliegt, mag sich indes keiner vorstellen: „Es ist vielleicht gar nicht der Vater, aber es kann immer sein, dass einer austickt“, sagt Weber. Mögliche Auswege sind verbaut: Konvertieren wird Weber „auf keinen Fall“, eine neue Identität will Amal ihm, der Führungskraft, nicht zumuten. Doch: „Liebe ist wie Wasser: Sie findet einen Weg“, sagt Weber. Und Amal, die glaubt, dass der Ausweg ihrer Leidensgenossinnen langfristig „nur über Bildung“ führen kann, hat in Webers Text ein wichtiges Detail bestimmt: ihren Namen. „Amal“, sagt sie jetzt, „bedeutet Hoffnung.“

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