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Berlin: Behindert, weil die Ärztin das Kind zu schnell nach Hause schickte? Prozess gegen Medizinerin: Dreijährige erlitt Atemstillstand nach Klinik-Besuch

Die Eltern wollten nicht ohne ihre Tochter zum Prozess erscheinen. Sie bugsierten den Kinderwagen in den engen Gerichtssaal.

Die Eltern wollten nicht ohne ihre Tochter zum Prozess erscheinen. Sie bugsierten den Kinderwagen in den engen Gerichtssaal. Die Frau auf der Anklagebank sollte sehen, was mit der heute siebenjährigen Oliwia passiert ist. Bis vor vier Jahren war sie ein fröhliches Mädchen. Sie tollte umher und sang gern. Doch bei einer nächtlichen Pseudokrupp-Attacke war es zum Atemstillstand gekommen. Seitdem kann Oliwia nicht mehr laufen, sprechen oder essen. Ihre Eltern glauben, dass eine Ärztin bei der Behandlung des Mädchens in einer Spandauer Klinik Fehler gemacht und die Kleine zu schnell nach Hause entlassen hat. Davon ging auch die Staatsanwaltschaft aus und erhob Anklage.

Am 23. Oktober 1999 hörten die Eltern das bellende Husten das erste Mal. Oliwia bekam kaum Luft, hatte hohes Fieber. Gegen 17 Uhr fuhren sie ins Krankenhaus. „Ich habe das Kind inhalieren lassen und ein Kortison-Zäpfchen verabreicht“, sagte die 34-jährige Kinderärztin gestern im Prozess um fahrlässige Körperverletzung. Der Zustand des Mädchens habe sich schnell gebessert. Wie damals in ähnlichen Fällen üblich, habe sie Oliwia nach Hause entlassen. „Ich habe die Eltern beruhigt, ihnen aber klar gesagt, dass sie bei erneuten Symptomen sofort wiederkommen sollen“, erklärte die Ärztin.

Eine solche Information aber gab es nach Angaben der Eltern nicht. „Sie hat nur von frischer Luft gesprochen“, sagte die Mutter. Der Vater konnte sich an den Hinweis erinnern, feuchte Handtücher im Zimmer der Kleinen aufzuhängen. „Sie hat uns überhaupt nicht gesagt, was passieren könnte“, weinte Gabriele P., die wie ihr Ehemann aus Polen stammt. Drei Stunden nach der Behandlung im Krankenhaus brachten sie ihre Tochter ins Bett. Gegen Mitternacht bemerkte der Vater, dass Oliwia nach Luft rang.

Der Vater rief bei der Feuerwehr an, sagte, dass die Kleine bereits am Nachmittag im Krankenhaus gewesen sei. Man verwies ihn an den Kassenärztlichen Notdienst. Gegen fünf Uhr morgens rief der Vater noch einmal bei der Feuerwehr an. Auf dem Weg ins Krankenhaus kam es zum Atemstillstand und damit zu einer schweren Gehirnschädigung. Die Richterin sprach das an, was sich wohl alle im Saal fragten: „Warum sind Sie nicht mit ihrem Auto ins Krankenhaus gefahren?“ Die Eltern suchten nach einer Antwort.

„Ich war in Panik“, sagte die Mutter. „Ich hatte die Feuerwehr alarmiert“, meinte der Vater. Beide weinten. Zunächst wurde auch gegen die Feuerwehr ermittelt. Dieses Verfahren ist inzwischen eingestellt worden.

Kerstin Gehrke

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