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Behinderte: Stadt der Hindernisse

Zu viele Barrieren, zu wenig Unterstützung: Was der Behindertenbeauftragte an Berlin rügt.

Schwerbehinderte müssen monatelang auf einen entsprechenden Ausweis warten. Behinderte Kinder nehmen zwar in immer größerer Zahl am gemeinsamen integrativen Unterricht teil, sie fallen aber gegenüber ihren nichtbehinderten Banknachbarn beim Lernen zurück, weil es zu wenige sonderpädagogische Schulhelfer gibt. Und noch immer sind an Bahnhöfen oder in Kaufhäusern vielerlei Barrieren, so dass Rollstuhlfahrer auf fremde Hilfe angewiesen sind. Das alles rügt der Behindertenbeauftragte des Senats, Martin Marquard, in seinem gestern vorgelegten Jahresbericht 2008.

Dabei wären oft nur kleine Veränderungen nötig, um Gefahren zu verhindern oder nachhaltig zu helfen. So verhandelt der Senat zurzeit beispielsweise auf Betreiben von Marquard mit der Telekom, um die seitlich angebrachten Glasscheiben der öffentlichen Telefonstelen besser zu sichern. Sehbehinderte Menschen haben sich daran schon häufig verletzt. In großem Umfang muss hingegen aus Sicht des Behindertenvertreters der neueröffnete S-Bahnhof an der Julius-Leber-Brücke in Schöneberg „nachgebessert“ werden. Vor dessen Bau habe man mit den Behörden abgesprochen, dass dort ein barrierefreier Vorzeigebahnhof entstehen solle. Groß sei die Enttäuschung gewesen, als zur Eröffnung im Mai 2008 noch viele Hilfen fehlten. Aufzüge sind inzwischen im Bau, aber es gibt laut Marquard noch immer „fehlerhafte Stufenmarkierungen“ oder unsachgemäß angebrachte Blindenleitstreifen. Außerdem seien die Lautsprecherdurchsagen schlecht verständlich.

Erfreut zeigt sich der Behindertenbeauftragte über den ausgeweiteten integrativen Unterricht an Berlins Schulen. Die Zahl der gemeinsam unterrichteten behinderten und nichtbehinderten Schüler stieg nach seinen Angaben von 2000 bis 2007 um mehr als ein Drittel. Die Lernbedingungen hätten sich mit dem Anstieg aber verschlechtert, weil die Zahl der sonderpädagogischen Betreuer nicht entsprechend erhöht worden sei. Diese kümmern sich um Kinder mit besonderem Förderbedarf und ermöglichen ihnen so die Teilnahme am normalen Unterricht.

Ähnliches sieht Marquard auch an den Unis. Dort ergreift er Partei für die Gehörlosen, für die es zu wenige Gebärdendolmetscher gebe. Für etliche sei das Sommersemester 2008 deshalb verloren. CS

Der Jahresbericht im Internet: www.berlin.de/lb/behi/veroeffentlichungen/verstoesse

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