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Sind Aktenberge bald Vergangenheit? Alle Spitzenkandidaten sprachen sich für ein Beschleunigung der Digitalisierung in der Verwaltung aus.

© Stephanie Pilick/dpa

Behörden-Pingpong und Bürgerfrust: Berliner Spitzenkandidaten wollen mehr Tempo bei der Digitalisierung der Verwaltung

Wie kommt Berlin raus aus dem Behörden-Pingpong? Die Spitzenkandidaten debattierten auf Einladung des Tagesspiegel und der Stiftung Zukunft Berlin.

Wie kann Berlin, die Stadt der administrativen Unzuständigkeiten, zu einer modernen Verwaltung kommen? An der Frage scheiden sich die Geister – und Koalitionen. Nachdem Rot-Rot-Grün mit dem hehren Ziel einer modernen, effizienten und bürgernahen Verwaltung für alle Berliner:innen in die Legislatur gestartet war, herrscht angesichts der aktuellen Situation Resignation.

Von einem „Desaster“ sprach der CDU-Abgeordnete Stephan Lenz am Donnerstag im Abgeordnetenhaus gleich mehrfach. Angesichts von schätzungsweise 25.0000 unerledigten Terminen und einer zuletzt zwischen Innenverwaltung und Bezirken geradezu eskalierenden Debatte mochte ihm da wohl kaum einer widersprechen.

Einige derer, die künftig Verantwortung in der Stadt übernehmen wollen, namentlich die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey sowie ihre Kontrahenten Kai Wegner (CDU) und Sebastian Czaja (FDP), stellten sich am Abend auf Einladung des Tagesspiegels und der Stiftung Zukunft Berlin der eingangs erwähnten Frage. Mit den Spitzenkandidaten debattierten Monika Herrmann (Grüne), Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, und Tobias Schulze, Sprecher für Digitale Verwaltung der Linksfraktion.

Wer weniger als 100 Tage vor der Wahl einen Schlagabtausch erwartet hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen herrschte weitestgehend Einigkeit bei der Analyse der Probleme. Czaja, Wegner und auch Herrmann betonten die Kontinuität der Beschäftigung mit dem Thema und zeigten sich frustriert über fehlende Fortschritte.

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Auch Giffey erklärte: „Wir haben kein Erkenntnisdefizit“. Aktuell wiederum führt ihre Partei die für die Verwaltungsmodernisierung zuständige Innenverwaltung. Spürbare Erfolge gibt es kaum, dafür Empörung in den Bezirken nach einem Vorstoß von Innensenator Andreas Geisel. Er hatte die „unbefriedigende“ Situation in den Bürgerämtern zuletzt öffentlich kritisiert und und drohte mit Zentralisierung bezirklicher Aufgaben auf Landesebene.

Giffey wirbt für bessere Ausstattung der Behörden

Ein Vorgehen, das bei Koalitionspartnern wie in den Bezirken für Kopfschütteln und Abwehrreflexe sorgte. Selbst Giffey übte indirekt Kritik am Vorgehen Geisels und erklärte: „Wir dürfen nicht immer sofort ins Bashing der Verwaltungsmitarbeiter verfallen.“ Sie forderte „eine andere Haltung gegenüber unseren Mitarbeitern“ und warb für eine bessere personelle, räumliche und technische Ausstattung der Behörden. Sätze, die sich außerhalb der direkten Verantwortung leicht sagen lassen.

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Einig waren sich alle Diskutant:innen darin, dass die Digitalisierung der Verwaltung beschleunigt werden muss. Wegner warb für den Dreiklang „Verwaltungsprozesse entschlacken, Bürokratie abbauen, Digitalisierung nutzen“, Czaja dafür, das Innovationspotenzial der Stadt nutzen. Erst müsste die Verwaltung klar sortiert, Zuständigkeiten geklärt und zum Teil wahnwitzige Doppel- und Dreifachschleifen gelöst, dann digitalisiert werden – darin waren sich alle einig.

[Tagesspiegel-Interviews mit allen drei Spitzenkandidaten lesen Sie mit Tagesspiegel Plus: Franziska Giffey (SPD), Kai Wegner (CDU) und Sebastian Czaja (FDP)]

Tobias Schulze warb für die von seiner Partei geforderten „politischen Bezirksämter“ und rief gleichzeitig dazu auf, bei aller Kritik „nicht das Getöse in den Vordergrund“ zu stellen, sondern sich auf die eigentlichen Aufgaben zu konzentrieren. Auf die Forderung einer von den anderen Diskutant:innen unterstützten Verfassungsänderung, um die Zuständigkeiten zwischen Bezirken und Landesbehörden klar zu regeln, reagierte er eher zurückhaltend. Alle anderen wiederum waren klar dafür, von einem „Verfassungskonvent“ war die Rede.

Klar ist: Bis sich die aktuelle Situation spürbar verbessert, dürften Monate vergehen. Im Interview mit dem Tagesspiegel erklärte Ramona Reiser (Linke), Bürgerdienste-Stadträtin aus dem Bezirk Mitte, das dort zusätzlich entstehende Bürgeramt werde die Probleme nicht lösen. Sie äußerte sich skeptisch zum von der Innenverwaltung anberaumten Eröffnungstermin am 1.August und forderte eine bessere Ausstattung der Behörden. 2,5 Millionen Euro, wie von Geisel zuletzt ausgelobt, reichten da längst nicht aus, sagte Reiser.

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