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2008 hatte die Richterin offenbar schon einen Selbstmord versucht.

© Michael Gottschak/ dapd

Behutsame Annäherung: Die zwei Leben der Kirsten Heisig

Vor knapp acht Monaten nahm sich Kirsten Heisig das Leben. Nun gibt es einen Film über die bekannteste Jugendrichterin Deutschlands.

Von Sandra Dassler

Mit dem Bernauer Jugendrichter Andreas Müller hat Kirsten Heisig über Suizid gesprochen. Auch über „Tablettennehmen“, wie er erzählt. Das ist eine der wenigen Überraschungen in der Fernsehdokumentation „Tod einer Richterin“, was keine Kritik sein soll. Denn den beiden Journalistinnen Nicola Graef und Güner Balci ging es um eine behutsame Annäherung an Deutschlands berühmteste Jugendrichterin, die sich im vergangenen Sommer überraschend das Leben nahm.

So kombiniert der Film Aufnahmen von Heisig bei Anne Will oder bei arabischen Eltern mit den Erinnerungen jener Menschen, die der Richterin im Kampf gegen Jugendkriminalität sehr nahe standen. Sie alle berichten von einer Frau, die voller Energie für ihre Überzeugung eintrat, der bis zuletzt keiner der Befragten einen Selbstmord zugetraut hätte.

Unweigerlich kommt der Film auf das wesentlich von Kirsten Heisig initiierte Neuköllner Modell zur schnelleren Bestrafung jugendlicher Gewalttäter zu sprechen. „Sie war für uns schlimmer als der Teufel“, sagt ein von Heisig verurteilter junger Mann aus Neukölln und erzählt, dass Freunde ihn vor der „Richterin Gnadenlos“ gewarnt hatten. „Sie war die Einzige, die direkt zu uns kam“, lobt hingegen ein türkischer Vater – der zu den Eltern gehört, mit denen Heisig oft das Gespräch suchte, um zu verhindern, dass ihre Kinder kriminell wurden.

Ihr Engagement bescherte ihr viele Widerstände – gerade in der Justiz: „Wir haben uns nicht um die Veränderung der Welt zu kümmern“, sagt Jugendrichter Müller im Film bitter. Überhaupt sind die Wunden acht Monate nach Heisigs Tod keineswegs verheilt. So lehnte die Polizeiführung Interviewanfragen immer wieder ab, sagen die Filmemacherinnen. Viele Diskussionen habe es um den Umgang mit persönlichen Lebensumständen gegeben. Als sich Ex-Fußball-Nationaltorwart Robert Enke 2009 das Leben nahm, habe seine Frau die Depression öffentlich gemacht. Kirsten Heisig habe das offenbar nie gewollt, ihre genaue Krankheit kenne man bis heute nicht. „Sie hat nie darüber gesprochen“, sagt Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD). Der Frage nach dem Motiv für den Suizid kann sich der Film nur annähern – auch mit Rücksicht auf die Eltern der Toten sowie die Töchter, die nach der Trennung Heisigs von ihrem Partner bei ihrem Vater lebten.

Dass einfache Wahrheiten, Schuldzuweisungen oder Verschwörungstheorien im Fall Heisig nicht funktionieren – das macht der berührende Streifen allemal deutlich. „Es muss zwei Kirsten Heisigs gegeben haben“, sagt Heinz Buschkowsky: „Die andere Persönlichkeit hat dann letztlich über die Kirsten Heisig gesiegt, die ich gekannt habe.“

Der Film „Tod einer Richterin – Auf den Spuren von Kirsten Heisig“ ist am 9. März um 22.45 Uhr in der ARD zu sehen.

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