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Berlin: Bei den Flugfirmen ist jetzt die Luft raus

Wasserflugzeug, Aussichtsballon, Staumelder: Alle bleiben am Boden. Die Branche fürchtet um Jobs

Simon ist schwer enttäuscht. Eigentlich wollte der 10-Jährige aus Zehlendorf mit seiner Familie und dem Besuch aus Japan einen Ausflug mit dem Hi-Flyer am Potsdamer Platz machen. Doch der Fesselballon musste bereits am Sonntag wegen des Windes die meiste Zeit am Boden bleiben. Von heute an herrscht gänzlich Flaute beim bunten Ballon: Das Flugverbot über der City gilt auch für den Fesselballon am Stahlseil. Nach Schätzungen von Experten sind hunderte Arbeitsplätze in der Flugbranche betroffen. „Durch das überzogene Verbot wird die Stadt touristischer Highlights beraubt“, sagt Hanns-Peter Nerger, Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing (BTM).

Von heute an dürfen im Luftraum über dem S-Bahn-Ring allein Polizei, Bundeswehr und Rettungskräfte fliegen, anderen Maschinen wird lediglich erlaubt, Tegel oder Tempelhof anzusteuern. Auf den Schirmen der Flugsicherung war gestern der Kreis mit einem Radius von etwa fünf Kilometern schon zu sehen. Den 2000 Privatpiloten aus Berlin und Brandenburg ist es untersagt, über der Innenstadt zu kreisen. Und auch Tourismus-Flugfirmen dürfen dort keine Gäste mehr transportieren – ebenso wenig wie Fernsehleute, die Großereignisse von oben filmen wollen. „Man muss beide Seiten abwägen, das Sicherheitsbedürfnis der Menschen und den Fremdenverkehr“, sagt BTM-Chef Nerger, „aber das Flugverbot ist eher Aktionismus im Wahlkampf als eine Sicherheit fördernde Maßnahme“.

Gerd Schwarze, Geschäftsführer von Helicopter-Tours Falkensee, gibt zu bedenken, „dass ein Terrorist mit einem Learjet den Reichstag von der Landsberger Allee aus in einer Minute erreicht – bis dahin ist weder ein Abfangjäger in der Luft noch das Haus evakuiert“. Schwarze flog bislang bei Foto- und Filmflügen zum Beispiel als Berichterstatter für die Zeitung „USA Today“ über die Stadt. „Ich kann meinen Laden zumachen“, sagt Andreas Behrendt, Geschäftsführer von AB Charterflug in Strausberg. Sein Betrieb lebe zu „90 Prozent“ von Rundflügen über Berlins City. Behrendt: „Keiner will nur über Potsdam oder Reinickendorf fliegen.“ Der mögliche Trick – eine Landung in Tempelhof einzubauen – scheidet aus, weil die Landegebühren zu hoch sind.

Auch Frank Hellberg, mit dem „Air Service Berlin“ und seinen 55 Mitarbeitern der größte Anbieter in Berlin, sieht sich vor dem Ruin. Das Wasserflugzeug darf gar nicht mehr starten. Die Verkehrsüberwachung für die Radiosender fällt jetzt aus, der Rosinenbomber darf wie die JU 52 der Lufthansa „nur noch auf der Autobahn rein und raus“. Rund eine Million Menschen waren mit Hellberg in der Luft, 100 000 fuhren seit 2000 jährlich mit seinem Ballon am Potsdamer Platz. Karen Meier ist – oder war – lizensierte Fesselballonpilotin. Gerade hatte die arbeitslose Bauzeichnerin umgelernt, viel dafür bezahlt. Jetzt hofft sie auf eine Klage des Luftfahrtverbandes, und darauf, dass Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe seinem Parteigenossen Erhart Körting folgt, der wegen des Tourismus eine Ausnahme für die Gewerbsflieger erreichen will und im Hi-Flyer „kein Sicherheitsrisiko“ sieht, wie er dem Tagesspiegel gestern sagte.

Karen Meier wird heute den Leuten erklären, warum der Ballon ruht. Dabei versteht sie das Flugverbot nicht einmal selbst: „Bei uns muss doch jeder sogar seine Tasche abgeben.“

Annette Kögel

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