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Berlin: Bei KitasundSozialhilfesollBerlinnoch mehrsparen Finanzsenator Sarrazin will harten Kurs fortsetzen – und sieht trotzdem die Gefahr, dass Berlins Klage auf Bundeshilfe scheitert

Alles läuft gut? Alles ist in Butter?

Alles läuft gut? Alles ist in Butter?

Wenn ein Finanzminister sagt, dass alles in Butter ist, bricht meistens gleich die nächste Katastrophe los. Aber: In diesem Jahr können wir die Neuverschuldung senken. Auch 2005 werden wir gut im Plan liegen.

Verraten Sie uns trotzdem, wo die Risiken lauern.

Natürlich gibt es Bereiche, die mir Sorgen machen. Mit Bildungssenator Klaus Böger spreche ich gerade über die Kita-Kosten. Die beschlossenen Einsparungen können bisher nur verzögert umgesetzt werden. Mit der Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner bin ich wegen der Betreuungsleistungen im Gespräch. Dazu gehören beispielsweise Sozialhilfeleistungen für Pflegefälle und Behinderte. Da liegen die Berliner Ausgaben deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

Sie sprechen da von Risiken im …

… jeweils zweistelligen Millionenbereich.

Der Senat will 2008 eine neue Sparrunde einläuten. Was kommt auf die Berliner zu?

Erst einmal müssen wir das aktuelle Sanierungsprogramm bis 2007 erfüllen. Da liegt der Senat gut im Plan. Damit schaffen wir ab 2008 die Voraussetzung, dass Berlin aus eigener Kraft die Schulden abbauen kann.

Was Sie seit 2002 erreicht haben, findet koalitionsintern Anerkennung. Trotzdem hört man auch in der SPD: Eine Wahlperiode mit Thilo Sarrazin war notwendig, aber bald ist es genug mit dem rigorosen, unpopulären Sparen. Bleiben Sie über 2006 hinaus Finanzsenator?

Es ist doch so: Je ärmer man ist, desto öfter zählt man sein Geld. Das gilt auch für Berlin. Sparen ist kein Selbstzweck, sondern dient dazu, politisches Handeln in Zukunft möglich zu machen. Ohne eine sinnvolle Haushaltskonsolidierung gibt es keine nachhaltige Bildungs- oder Sozialpolitik. Auch wenn wir mit der Klage vor dem Verfassungsgericht Erfolg haben und Sanierungshilfen des Bundes erhalten sollten, ist Berlin 2007/08 immer noch ein armes Land. Unabhängig davon, wer dann Finanzsenator ist.

Vielleicht doch Sie?

So lange ich gesund bleibe und die Regierung eine Politik betreibt, wie ich sie für verantwortbar und notwendig halte, stehe ich auch zur Verfügung.

Aber gehen Sie mit einem unguten Gefühl in die Weihnachtsferien, weil das Landgericht im Januar über die Zulassung der Tempodrom-Klage entscheidet?

Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass mich die Sache unberührt lässt. Niemand sieht es gerne, wenn die eigene Integrität und der gute Ruf öffentlich in Frage gestellt werden. Schon gar nicht durch die Staatsanwaltschaft. Doch nach gründlicher Prüfung meines Verhaltens bei der Tempodrom-Finanzierung und im Vertrauen auf die Urteilskraft der Gerichte habe ich keinen Anlass, am guten Ausgang der Angelegenheit zu zweifeln.

Sie fühlen sich von der Koalition noch ausreichend unterstützt?

Die Unterstützung im Senat und durch alle Abgeordneten der SPD und der PDS könnte nicht besser sein. Auch diejenigen, die sich in Sachfragen ab und zu mit mir streiten, sind absolut solidarisch. Ich bin sicher, das ist ernst gemeint.

Was sagen denn Ihre Kollegen Finanzminister zu der Angelegenheit?

Als die Anklage der Staatsanwaltschaft im September öffentlich wurde, bekam ich am gleichen Tag zwei Anrufe. Den ersten vom früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel, der einmal mein Chef war, und den zweiten von Hans Eichel. Beide haben mich im Umgang mit der Angelegenheit bestärkt.

Sie wollen also Finanzsenator bleiben und sich für 2005 neue Projekte vornehmen?

Die Szenarien für den Doppelhaushalt 2006/07 und die Finanzplanung bis 2009 sind in Arbeit. Der Senat wird im Februar die Eckwerte beschließen. So etwas lässt sich nicht einfach ins Blaue hinein planen, in der Hoffnung, dass es am Ende irgendwie klappt. So hat das Anfang der neunziger Jahre einer meiner Vorgänger, Elmar Pieroth, gemacht – entsprechend ging die Sache aus. Ein zweites, quasi andauerndes Großprojekt 2005 ist die Sanierung der Landesbeteiligungen. Einschließlich meiner Tätigkeit in den Aufsichtsräten stecke ich gut die Hälfte meiner Arbeitszeit in diese Aufgabe. Wenn Ende 2005 der größte Schutt von der Baustelle „Finanzpolitik“ abgeräumt ist, möchte ich mich gern auch intensiv mit der Frage befassen, wie wir Berlin für die Wirtschaft attraktiver machen können. Natürlich nur im Rahmen meiner Zuständigkeiten.

2005 steht auch die mündliche Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht an, das über die Klage Berlins auf Bundessanierungshilfen entscheidet. Die fünf Wirtschaftsweisen haben davor gewarnt, die Haushaltsnotlage Berlins anzuerkennen. Dies würde andere Länder ermuntern, in ihren Sparanstrengungen nachzulassen.

Es besteht durchaus die Gefahr, dass Ökonomen einen Erfolg unserer Klage so interpretieren könnten: als eine Belohnung von früherem Fehlverhalten. Auch deshalb signalisiert der Senat immer wieder, dass Berlin strikte Sparauflagen akzeptiert und eventuelle Sanierungshilfen des Bundes ausschließlich für den Schuldenabbau verwenden wird.

Sie rechnen damit, dass das Bundesverfassungsgericht sein Urteil mit konkreten Sparauflagen verknüpft? Etwa zur Privatisierung von Landesvermögen?

Jedes Haushaltsnotlage-Land ist rechtlich verpflichtet, alle zumutbaren eigenen Anstrengungen zu unternehmen. Dazu gehört auch die Trennung von Vermögensanteilen, die für Verwaltungszwecke und die Erfüllung von Staatszielen nicht notwendig sind. Das werden auch die Richter nicht anders sehen.

Die Wirtschaftsweisen befürchten sogar, dass sich Bremen, Saarland und einige ostdeutsche Länder an die Klage Berlins anhängen – und so die bundesstaatliche Gemeinschaft in den Ruin treiben.

Das Bundesverfassungsgericht hat 1992 klare Maßstäbe für eine extreme Haushaltsnotlage entwickelt. Wenn man diese Maßstäbe anlegt, ist momentan nur Berlin in einer solchen Notlage. Wenn man von Bremen und Saarland absieht, die schon Bundeshilfen erhalten. Aber es ist schon richtig: Einige andere Länder sind von einer Notlage nicht sehr weit entfernt.

Wird die Position Berlins gegenüber Karlsruhe durch das Sachverständigengutachten geschwächt?

Die Diskussion im öffentlichen Raum bleibt natürlich auch den Richtern nicht verborgen. Deshalb habe ich mit Freude gehört, dass der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium kürzlich im Bundestag dem Land Berlin äußerste Anstrengungen zur Sanierung unseres Haushalts attestiert hat. Solche Äußerungen, zumal vom Prozessgegner, sind für Berlin natürlich sehr nützlich.

Berlin muss…

… jeden Anschein vermeiden, dass wir es mit der Haushaltskonsolidierung nicht ernst meinen. Ich möchte mir jedenfalls nie nachsagen lassen, was der Ex-Fraktionschef der SPD, Herbert Wehner, einmal zu Unrecht über Willy Brandt gesagt hatte: „Der Herr badet gerne lau.“

Das Gespräch mit Sarrazin führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

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