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Berlin: Bei Umblättern Mord Jochen Senf alias Kommissar Max Palu genießt das Berliner Leben. Und hat einen neuen Krimi geschrieben

Die Arbeitsbedingungen der Tatort-Kommissare sind mies: Nachteinsätze, lange Schichten und wenig Geld. Den Schauspielern geht es besser.

Die Arbeitsbedingungen der Tatort-Kommissare sind mies: Nachteinsätze, lange Schichten und wenig Geld. Den Schauspielern geht es besser. Jochen Senf, der den saarländischen Kommissar Max Palu spielt, ist zweimal im Jahr in der ARD im Einsatz. Fünf bis sechs Wochen dauert ein Tatort-Dreh. 50 000 Euro Gage zahlte das Fernsehen pro Folge. Genug für ein ehrenwertes Leben.

Aber Unterwelt, Verbrechen und Elend - für Jochen Senf ist es damit nach Drehschluss nicht vorbei. In seiner Freizeit schreibt er Kriminalromane. „Mit Krimis führt man die Menschen an die Ränder des Lebens“, sagt Senf, „das ist das Faszinierende.“ Der 61-Jährige sitzt am Wohnzimmertisch in seiner Altbauwohnung am Stuttgarter Platz in Charlottenburg. 80 Quadratmeter, an den Wänden Bilder und Fotographien. Senf hält seinen neuen Krimi „Willkommen in Singletown“ in der Hand. Es geht um die brutale Scheinwelt der Schönen und Reichen. Eine Adlige wird umgebracht, ein eigenwilliger Rechtsanwalt soll den Fall lösen. Der Roman erinnert an ein Tatort-Drehbuch. Bereits auf den ersten Seiten der Mord. Und verdächtig ist jeder. Das Buch sei kompliziert geschrieben, haben Freunde und Bekannte von Jochen Senf gesagt. „Das Buch ist anspruchsvoll“, sagt er selbst.

Es ist bereits sein vierter Krimi. Senf hat außerdem über 100 Rollen im Fernsehen gespielt und Hörbücher geschrieben. Aber wenn er angesprochen wird, dann immer nur auf Kommissar Palu. Den Tatort-Kommissar, dem Rotwein, Fahrrad und Gemütlichkeit genauso wichtig sind wie das Aufspüren der Mörder. Senf hat die Rolle selbst mitgestaltet, damals in den 80er Jahren. Er hat Palu unkonventioneller gemacht als es das Drehbuch erlauben wollte. Er hat dem Kommissar den Dienstwagen genommen und das Fahrrad gegeben. Er hat die Rolle seinem eigenen Charakter angepasst. Dass Senf als Schauspieler einmal so auf die Rolle reduziert werden würde, hätte er nie geahnt.

Dabei ist die Figur, die ihm eher ähnelt, die des schrägen Anwaltes, der in seinen Krimis die Fälle löst. „In Bruno Paul steckt eine Menge von mir selbst“, sagt Senf. Den Anwalt, der sich über Konventionen hinwegsetzt, in dreckigen Klamotten durch Edelkaufhäuser zieht, hat sich Senf von der Seele geschrieben. So sieht er sich, so will er sein. Ein Lebemann mit derber Sprache. Wenn Senf in seiner Küche steht, vor der Spüle mit einem Stapel Geschirr vom Vorabend, Knoblauch, einer leeren Weinflasche, dann grinst er zufrieden und sagt: „Wenn Sie wüssten, wie viel hier gefeiert wird.“ Der Anwalt in Senfs Buch, er ist voller Widersprüche in Bezug auf Moral, Geld und Liebe. Genau wie Senf. Der schimpft zwar über Verblödungstrips in den Medien, über Dieter Bohlen („feige“"), Sabine Christiansen („nicht informativ“), Journalisten („schlecht ausgebildet“), Politiker („lassen sich manipulieren“) und macht aber selbst in seichten Serien mit.

In den 70er Jahren verschenkte Senf mal seine gesamten Möbel und kündigte die Wohnung. Er hat sich dann sechs Monate lang jede Nacht eine neue Bleibe gesucht. Bei Fremden, die er in Kneipen ansprach. Und natürlich bei Frauen. Aber auch Senf ist wie sein Anwalt im Buch nicht glücklich geworden in der Liebe. Er lebt er allein und wird nachdenklich beim Thema Familie. „Ich bin in einer Großfamilie aufgewachsen, hatte immer Leute um mich rum“, sagt er. „Ich bin vom Typ her kein Single.“

Vor einiger Zeit hat Harald Schmidt in seiner Show über Kommissar Palu gelästert. Senf hat dem Talkmaster einen Brief geschrieben. Dennoch wäre er gern in die Sendung gegangen. Vielleicht hätte er dann für sein Buch geworben. Vielleicht hätte er aber auch wie seine Buchfigur Bruno Paul zu Schmidt gesagt, wie „schlecht er ist“.

Jochen Senf - Willkommen in Singletown. Ein Bruno-Paul-Roman. 9,90 Euro.

Juris Lempfert

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