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Berlin: Bellen ist besser

Rund um den Grunewaldsee, dem größten Auslaufgebiet Europas, fühlen sich Menschen Hunden ausgeliefert. Andere loben das Miteinander

Vom „Schlachtfeld“ sprechen wütende Spaziergänger, die sich belästigt fühlen. Angesprungene und gezwickte Jogger wünschen sich Hundebesitzer ins Gefängnis, die wiederum fühlen sich und ihre Tiere missverstanden. Die Forstbehörde, die wieder mehr Spannungen und Konflikte registriert, appelliert an das Gemeinschaftsgefühl und betont, dass der Mensch Vorrang hat – auch im größten Hundeauslaufgebiet Europas.

„Alles sieht nach einem einsamen Spaziergang aus“, schildert Gerhard F. den Beginn seines letzten Wochenendausflugs. Wenige Meter später muss er sich, von spielenden oder bedrohlich wirkenden Vierbeinern umringt, fragen: „Ist der Weg heute für Besitzer von Groß- und Kampfhunden reserviert? Stand gar am Waldesrand ein Schild mit zwei dämlich dreinblickenden Spaziergängern – und den Worten: ,Wir dürfen hier nicht rein?‘“ Am Ende seines Spaziergangs zählte er „circa 200 Tölen in allen Farben und Kampfgewichtsklassen, etwa 80 bis 90 stolze Besitzer, fünf Zeitgenossen ohne Hund“. Gerhard F. hatte eigentlich nichts anderes getan, als den Grunewaldsee zu umrunden.

Was der Mann in einem traurig-launigen Brief an die Redaktion schildert, hört Marc Franusch von der Forstverwaltung nur zu oft. Wenn sich bald bei wärmeren Temperaturen wieder Hunderte badewillige Zweibeiner am Grunewaldsee einfinden, sind Spannungen programmiert, von denen Jogger ohnehin stets berichten. Aber der Grunewaldsee und seine Umgebung sind nun mal seit über 70 Jahren Hundeauslaufgebiet, mit 1250 Hektar das größte in Europa.

So müssen Spaziergänger, Radfahrer und Jogger damit rechnen, über Hunde zu stolpern. Schon von weitem, bevor der See überhaupt zu sehen ist, hängt Gebell wie eineSchallglocke über dem Wald. Wer sich, das Gewässer in Sicht, über die vielen Köpfe mitten im See wundert, erkennt bei genauerem Hinsehen, dass es nicht Menschen, sondern Hunde sind. Große, mittlere und auch kleine, wie Lisa, ein nicht wasserscheuer Dackel. Margit H., die Besitzerin, wohnt an der Wilmersdorfer Straße, wo es kein Grün gibt. Ohne das Auslaufgebiet, sagt sie, hätte sie Lisa nie angeschafft. „Für uns beide ist das Erholung und Spaß. Eine Lebensqualität, die wir nicht missen wollen. Hier kommen doch alle friedlich miteinander aus, Menschen, Hunde, auch die Natur leidet nicht.“ Sie verweist auf das laute Froschgequake im sumpfigen Schilf.

Es gibt wärmere Wochenenden und Werktage ohnehin, da können Spaziergänger den See umrunden, ohne Zeugen irgendeines Konfliktes zu werden. Aber es gibt auch Tage, an denen für sensible Gemüter die Hölle los ist. Da gibt es Verfolgungsläufe von schüttelnassen Hunden zwischen den Beinen von Spaziergängern, denn gebadet wird nicht nur an der Hundebadestelle. „Gerade seit dem vergangenen Sommer haben die Spannungen zugenommen“, sagt Marc Franusch, Sprecher der Forstverwaltung und selbst ein Hundefreund. „Wir vermissen die Polizeireiter, die hatten eine gewisse Wirkung.“ Die Zahl der Konflikte werde nicht archiviert, ebenso wenig die Zahl der Telefonate bei den Bezirksämtern von Charlottenburg-Wilmersdorf und Steglitz-Zehlendorf. Es gebe derzeit „keine seriöse Zahl“ über Beschwerden wegen des Hundeauslaufgebiets.

Wegen wachsender Spannungen sollte im vergangenen Jahr das Hundeauslaufgebiet eingeschränkt werden. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte die Grunewald-Seen herauslösen, dafür das leinenzwangfreie Waldgebiet ringsum vergrößern, ebenso den Düppeler Forst. Dies alles sollte einvernehmlich mit den Bezirken erfolgen. Aber in den Ausschüssen fand sich keine Mehrheit, zumal die Hundelobby mächtig Druck machte. Sie verbindet mit dem großen Auslaufgebiet eben auch eine lange Tradition. Ohne Konflikte geht es auch an Krumme Lanke oder Schlachtensee nicht ab, beide Seeufer sind nur „waldseitig“, zur Avus hin, Hundeauslaufgebiet, kaum ein Hundebesitzer weiß oder beachtet dies, deutliche Hinweisschilder fehlen, und auch Kontrollen.

„Eindeutigen Vorrang hat die allgemeine Erholung, auch im Hundeauslaufgebiet“, sagt Franusch. Belästigungen durch Hunde dürfe es nicht geben.

Mehr Informationen unter

www.stadtentwicklung.berlin.de/forsten/hundeauslauf

Christian van Lessen

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