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Ein Mann, ein Stück. „Ich, Judas“ von Ben Becker ist eigentlich ein Theaterstück, das er im Berliner Dom aufführte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Ben Becker zur Premiere von "Ich, Judas": "Früher hatte ich mit der Bibel nichts am Hut"

In „Ich, Judas“ setzt sich Ben Becker mit dem größten Verräter in der christlichen Religionsgeschichte auseinander. Ein Interview zum Kinostart.

Herr Becker, am 31. Oktober, am 500. Jahrestag der Reformation, kommt „Ich, Judas“, nach Ihrem gleichnamigen Theaterstück im Berliner Dom, in die Kinos. Darin spielen Sie Judas, den bekanntesten Verräter unserer Religionsgeschichte. Worin bestand für Sie der Reiz, diesen großen Verräter zu spielen?

Das ist die Frage nach der Schuld. Warum trägt Judas Schuld, und wer gibt ihm die Schuld? Da flieht heute beispielsweise eine Frau mit ihrem Kind auf dem Arm durch den Balkan und hofft, dass es ihr in Rostock besser geht. Und plötzlich fliegt ein Molotowcocktail durch ihr Schlafzimmerfenster. Und dann sagt ein amerikanischer Präsident: Wir bauen jetzt eine Mauer. Da frage ich: Wer trägt Schuld in dieser Situation? Die Frau, die flieht, um ihr Kind in Sicherheit zu bringen? Wie viel Schuld trägt dieser blöde Glatzkopf, der den Molotowcocktail wirft? Wer hat Schuld daran, dass Millionen Kinder verhungern? Das sind ebenso Fragen, die wir beide nicht beantworten können. Aber ich darf sie doch wohl stellen.

Warum kommt „Ich, Judas“, das Bühnenstück, jetzt ins Kino?

Das Stück muss nicht unbedingt ins Kino. Aber wir haben daran so hart gearbeitet und ich finde es toll, dass wir die Möglichkeit bekommen haben, das Stück zu filmen und als zeitgenössisches Dokument aufzubewahren. Das können sich später meine Tochter und die Tochter meiner Tochter angucken und sagen: Der Opa war nicht schlecht.

Sie wollen das Theaterstück also für die Nachwelt bewahren?

Das hört sich sehr kitschig an. Nein, die Leute können sich das angucken, es ist ein schöner Film geworden. Es ist harte Arbeit, eine One-Man-Show, ein Stück Theater auf die Leinwand zu bringen. Der Zuschauer begibt sich mit dem Mann auf der Bühne auf eine Reise, das bewegt und berührt einen – meine ich. Wen das nicht berührt, der soll doch in „Spider-Man 2“ gehen. Das gibt es nicht oft, einem Schauspieler so bei der Arbeit zuzusehen. Ich finde es mutig und schön, dass man so etwas machen kann, weil: Dreck läuft in den Kinos genug.

Haben Sie sich bei der Idee für das Stück von Klaus Kinski inspirieren lassen, der 1971 als „Jesus Christus Erlöser“ in der damaligen Deutschlandhalle auftrat?

Klaus Kinski – „Jesus Christus Erlöser“. Das Stück haben Produzenten mir mal angeboten, ob ich das machen will. Aber das habe ich abgelehnt!

Weshalb?

Sein „neues Testament“ hat er ja selber geschrieben. Ich habe mich für mein Hörbuch „Die Bibel“ mit der Bibel auseinandergesetzt, obwohl ich als Kind der 68er-Generation aus einem beinahe kommunistischen Haushalt komme und mit der Bibel nie etwas am Hut hatte. Doch das fand ich plötzlich spannend und habe Parallelen gesehen zwischen der Bibel und existenziellen Fragen wie: Kommen wir überhaupt jemals zusammen? Damit bin ich damals zu meiner Band gegangen, und daraus ist ein wunderschönes Werk geworden. Aber es hat mit Kinski nichts zu tun!

Aber woher kam die Faszination für die Bibel und für den „Judas“?

Es ist nicht so, dass ich mich religiösen Themen verschrieben habe oder nur noch mit der Bibel unterm Arm rumlaufe. Ich bin einfach auf diesen Text gestoßen, als man mich gefragt hat, ob ich das Hörbuch dazu machen würde. Dann habe ich mich eingearbeitet und der Text hat mich nicht mehr losgelassen. Dann habe ich entschieden: Das mache ich. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ich gedacht hätte, nach der Bibel müsse ich den Judas machen oder ich müsse Klaus Kinski nacheifern.

Welche Szene des Stückes bzw. des Filmes war für Sie die schwerste?

Der Abend dauert eine Stunde und 40 Minuten; für mich sind das gefühlte drei Stunden. Das kann man nicht auseinanderzerren, das ist ein großer Bogen. Das ist ein Triptychon, was ich inszeniert habe.

Würde Judas im Jahr 2017 rehabilitiert werden?

Nein, aber den Versuch kann man machen. Indem man diese wunderbaren Texte von Walter Jens und Amos Oz auf die Bühne bringt und die Frage stellt, ob Judas ein Schuldiger ist. Es gibt den Vorwurf, Judas sei der Antichrist, der Teufel. Aber das stimmt nicht. Judas war ein Jünger. Inwieweit sollten wir ihn rehabilitieren? Das ist mir zu sehr schwarz-weiß gedacht. Aber man kann sich auseinandersetzen mit der Figur, mit dem Leben, mit den Fehlern, die passieren – uns allen!

Der Film „Ich, Judas“ (87 Minuten) läuft ab Dienstag, 31. Oktober, in verschiedenen Berliner Kinos.

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