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Berlin: Ben Wargin lässt Blumen sprechen Blüten sollen ans Kriegsende erinnern

Ben Wargin wird nächste Woche 75 Jahre alt. 50 Jahre ist es her, dass er zum ersten Mal in der Berliner Hochschule der Künste auftauchte.

Ben Wargin wird nächste Woche 75 Jahre alt. 50 Jahre ist es her, dass er zum ersten Mal in der Berliner Hochschule der Künste auftauchte. Und das Ende des Zweiten Weltkriegs jährt sich bald zum 60.Mal. Sehr verschiedene Dinge, aber nicht für den Berliner Aktionskünstler, Öko-Aktivisten und Friedenskämpfer, der folglich in diesen Wochen wieder intensiv an der Arbeit ist. Bislang auffälligstes Zeichen dieser Arbeit ist eine Ausstellung im Foyer der Universität der Künste in der Hardenbergstraße 33 („Europa – Wald der verlorenen Hände“) – gewissermaßen eine Lebensbilanz von Wargins Arbeit. Ergebnisse seiner geradezu manischen Spurensuche im Boden der Stadt, die unverwechselbaren Installationen aus Gießkannen, Stuhllehnen, Reifenzierkappen. Dinge, die andere weggeworfen haben, verarbeitet künstlerisch, weil er ihnen damit „eine Art Lebendigkeit“ zurückgeben will. Über allem steht das Jean-Paul-Zitat: „Ja, Berlin ist eine Sandwüste. Aber wo sonst findet man Oasen?“

Blickfang ist ein überdimensionales Porträt Gorbatschows, das der Künstler Jo Nöbauer nach der Wende in zweijähriger Arbeit mit dem Bleistift gezeichnet hat – es hing ein paar Tage im Preußischen Landtag. Die Ausstellung geht auch im Hof der Uni weiter, dort, wo immer noch die Reste des ehemaligen Akt-Zeichensaals stehen. Wargin zeigt über die Mauer: „Dort, das ist der erste Ginkgo, den ich damals entdeckt habe.“ Das war gewissermaßen die Geburtsstunde des „Baumpaten“ Wargin.

Diesem einen Ginkgo folgten bekanntlich zahllose weitere; jetzt aber will Wargin zunächst einmal Millionen von Sonnenblumen blühen lassen. Das Wetter hat die geplante Aktion ein wenig verzögert, aber in den nächsten Tagen soll sie beginnen. Wargin hat 100 000 Tüten mit je etwa fünfzig Kernen packen lassen, die nun vor allem dort gepflanzt werden sollen, wo in den letzten Kriegstagen Menschen gestorben sind, als Erinnerung zum Beispiel „an den Wahnsinn, der sich im April 45 rund um den Reichstag abspielte, wo ein paar verrückte SS-Leute noch das tausendjährige Reich verteidigten.“

An der Gedächtniskirche, am Savignyplatz und auf dem Mittelstreifen der Karl-Marx-Allee sollen die Kerne sogar großflächig ausgesät werden. Auch die Seelower Höhen hat Wargin ins Auge gefasst. Am 14.April werden Neuköllner Schulkinder mit einem Sonderzug der S-Bahn nach Brandenburg fahren und dort die Samentütchen verkaufen.

Wargin wäre nicht Wargin, hätte er nicht eine Reihe finanzstarker Sponsoren gefunden, Vattenfall, Gasag, S-Bahn, Stadtreinigung, Wasserbetriebe – der Tütenaufdruck gibt Auskunft. Die Ausstellung ist bis Ende März in der Universität der Künste zu sehen. Dann kehrt sie in Wargins Hallen am Anhalter Garten am Gleisdreieck zurück.

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