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Benefizkonzert in Berlin: Ein Geschenk für Jonny K.

Es kamen Stars, es kam Berlins Innensenator. Kein Wunder, dass Tina K. in Vorbereitung des Benefizkonzerts noch weniger schlafen konnte als ohnehin. Aber sie wollte Jonny, ihrem getöteten Bruder, ein Denkmal setzen - und ein Geschenk machen.

Am Ende sangen alle im Admiralspalast zusammen „Happy Birthday“. Es war das wohl traurigste Geburtstagslied der Welt. Es galt Jonny K., der am Sonntag 21 Jahre alt geworden wäre – doch vor knapp einem halben Jahr hatten ihn andere Jugendliche am Alexanderplatz auf den Boden geworfen und ihm so sehr gegen den Kopf getreten, dass er ins Koma fiel, seinen Hirnverletzungen in der Klinik erlag. Für Tina K., seine sieben Jahre ältere Schwester, für seine kleine Schwester Jenny, für seine Eltern ist er immer noch lebendig. Und auch für viele im vollen Admiralspalast, beim Benefizkonzert „I Am Jonny – Stimmen Für Unseren Bruder”.

Beim Einlass ist der Hof voll, überall laufen Mädchen in roten Kleidern herum mit Sammelbüchsen für den Verein zur Gewaltprävention „ I am Jonny“, die seine Schwester Tina K. gründete. Eine Stiftung will sie jetzt ins Leben rufen, für die Ewigkeit, 150 000 Euro Grundkapital braucht man dafür mindestens, auch daher der Abend mit Benefiz-Eintrittspreis.

In der Menge unter all den Scheinwerfern sitzt auch ein Freund von Jonny. Was er erwarte? Er klingt traurig. „Etwas, das Jonny gefallen hätte. Wir feiern heute mit ihm.“ An diesem Konzertabend, den Tina ihrem Bruder schenkte, mit seiner Lieblingsmusik, mit Rap, und Hiphop. Die Band Glasperlenspiel greift den schlimmen Anlass auf. Sängerin Carolin Niemczyk sagt klar heraus, „was passiert ist, ist Scheiße.“ Sie plädiert „für mehr Liebe auf der Welt“ und widmet ihren Song Jonny: „Nie vergessen“. Wenigstens die Musik soll Jonny unsterblich machen.

„Du bist nicht weg – Du bleibst für immer hier“, singen auch Jessica Jean, „MvK“ und Kases Sky in dem Lied „Du bist nicht weg (Jonny K.)“. Das ist der Künstlername von Tina K’s Lebenspartner. Auch er war in der furchtbaren Nacht dabei, muss jetzt vor Gericht als Zeuge aussagen. Er hat seinen Song nach Jonnys Lieblingslied „All of the Lights“ von Kanye West und Rihanna neu produziert. In dem Lied erzählt er davon, wie er sich bei der Tat fühlte und wie er jetzt mit dem Verlust umgeht. Im Publikum gehen die Hände hoch, die Handycams werden gezückt.

Auf der Bühne zeigen sie den Song, den Videoclip haben auf Youtube schon mehr als 1,3 Millionen Menschen gesehen. Tina K. steht mit auf der Bühne, alle halten sich an den Händen. Ihr kleiner Bruder sei in einem Alter gewesen, in dem er nun seine Schwester an die Hand genommen hätte, hat Tina gesagt. Jetzt geben ihr wenigstens andere Halt. „Wir gehen Hand in Hand“, sagt sie. Ein großer Moment. Monate lang hat sie kaum geschlafen. „Sie ist noch ehrgeiziger geworden, will jetzt noch mehr als 150 Prozent geben“, sagte ihr Freund in der rbb-Abendschau. Er macht sich Sorgen um Tina, um die sich die Medien reißen und die unfreiwillig zur Managerin der Trauer geworden ist. Sie flüchtet sich wohl auch in Betriebsamkeit, sie funktioniert. Und bekommt stärkenden Beifall.

Auf der Bühne und im Publikum wird gelacht, gefeiert, geweint, in so schnellem Wechsel, dass einige Zuschauer gefühlsmäßig kaum hinterherkommen.

Die Moderatorin Jasmin wirft in all dem Trubel die Frage auf, wie man sich denn konkret in einer solchen Situation verhalten solle? Künstler Joachim Deutschland sagt: „Laut und heftig – verbal.“ In der Theorie klingt das plausibel. Jonny wurde seine Zivilcourage zum Verhängnis.

Tina K. ist auf der Bühne jetzt aufgedreht und vergisst ständig, was sie eigentlich sagen wollte. Stimmt, Frank Henkel ankündigen! Den Schirmherrn der Veranstaltung. Die beiden umarmen sich zur Begrüßung. Henkel bewundert Tinas Engagement. „Sie hoffe nicht nur, sie handle auch." Tina K. bedankt sich dann bei Lotto Berlin, für den Scheck über 5000 Euro. Die Blue Man Group wird beklatscht – auch für die 10000 Euro. Tina fehlen die Worte. Die Menge jubelt.

Julia Schulzke, 23, aus Berlin, applaudiert nachdenklich. Sie ist gekommen, um die Stiftung zu unterstützen, unabhängig vom Programm. Sie zieht den Hut vor Tina K, sagt sie. Sie habe sich informiert und auf Facebook eingelesen und geschaut, was Tina K. so schreibt. Sie habe versucht, sich in Tina hineinzuversetzen. Ismail Öner ist Initiator von „Mitternachtssport“, auch mit ihm hat sich Tina K. schon getroffen. Sie flitzt nebenbei mal schnell vor die TV-Kameras, aufgeregt sei sie, sehr. Denn im Scheinwerferlicht steht auch Jocelyn B. Smith auf der Bühne, sie singt den Mottosong des Abends: „Forever Young“.

Dann kommen Stars wie Peter Fox, bei Cool Savas singen alle mit. Das Konzert geht schon fast fünf Stunden, für einige könnte es niemals aufhören. Frank Henkel sagt, er habe gefühlsmäßig schon ein wenig Schwierigkeiten damit, die Veranstaltung einzuordnen. Bei so viel Stimmung dürfe man nicht vergessen, dass es immer noch ein realer Alptraum ist. Tina K. ist aufgedreht und wirkt fast ein bisschen glücklich, Jonny sei bei ihr, überall. Doch er ist es eben nicht.

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