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Was stellt man mit Zeit an? Wir hätten da einen Vorschlag.

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Benimm-Kolumne: Ist es in Ordnung, Zeit zu schenken?

Sie lässt sich nicht hübsch verpacken oder in Geld bemessen: Unsere Kolumnistin über Zeit als Geschenk.

"Eine pensionierte Bekannte von mir hat die Marotte, Zeit zu verschenken. Sie schreibt dann, man könne drei bis fünf Stunden gemeinsam verbringen nach meinen Vorstellungen. Oder nach den Vorstellungen der anderen, die sie so beschenken will. Mir ist das zu kompliziert, und ich weiß auch gar nicht, was ich ihr eigentlich schenken soll. Sehr teuer sollte es ja wohl nicht sein." - Margie

Sie sollten stolz auf Ihre Bekannte sein. Falls es ihr an Geld mangelt, um Dinge zu kaufen, die viel Geld kosten, geht sie mit dieser Herausforderung auf jeden Fall sehr kreativ um. Ein Fehler könnte darin liegen, dass Sie das gleiche Ausmaß an Fantasie auch in ihrem Umfeld erwartet. Sie selber scheinen ja nicht recht zu wissen, wie Sie damit umgehen sollen. Vorab vielleicht dies: Geschenke unterliegen keinem Handelsabkommen. Sie sind freiwillig, und es ist falsch zu glauben, man müsste sich für eine Gabe mit einer gleichwertigen revanchieren. Zeit anzunehmen, bedeutet freilich, selber auch welche einzubringen.

Warum aktivieren Sie Ihre Vorstellungen nicht mal und überlegen sich, was Sie selber gern mit dieser Bekannten unternehmen würden? Entsprechend könnte Ihr Geschenk ausfallen, zwei Karten fürs Konzert oder fürs Kino. Oder eine gute Flasche Wein, verbunden mit dem Vorschlag, sie gemeinsam an einem schönen Ort, zum Beispiel im Rahmen eines Picknicks, zu leeren. Die meisten Menschen brauchen eigentlich nicht unbedingt Sachen, wenn sie ein gewisses Alter erreicht haben. Aber Aufmerksamkeit und schön verbrachte Zeit sind oft Mangelware. Da kann man nicht genug Girlanden draus winden. Insofern ist der Ansatz Ihrer Bekannten ausgesprochen fortschrittlich und sinnvoll.

Sie sollten also darauf eingehen und Wertschätzung dafür zeigen. Würden Sie ihr einfach irgendwas geben, was sowieso in der Ecke landet, könnte das auch als Missachtung eines Rufs nach Zuwendung verstanden werden. Und wäre also keinen Cent der Kosten wert, im Gegenteil. Um Dinge sinnvoll zu gestalten, muss man manchmal altem Routineverhalten entkommen. Es lohnt sich ja auch in anderen Lebenszusammenhängen, das, was man tut, immer wieder neu zu überdenken.

Bitte schicken Sie Ihre Fragen mit der Post (Der Tagesspiegel, „Immer wieder sonntags“, 10876 Berlin) oder mailen Sie diese an: meinefrage@tagesspiegel.de

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