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Klimacamp der Klimaaktivistengruppe Extinction Rebellion neben der Wiese von Reichstag und Kanzleramt in Berlin.

© imago images/Emmanuele Contini

Benimmregeln von Extinction Rebellion: „Ruhe bewahren! Höflich bleiben! Schweigen ist Gold!“

Der Klimaprotest der Extinction-Rebellen ist in vier „Broschüren“ klar geregelt. Am Montag geht’s los mit den Blockaden.

Von Fatina Keilani

Es sollen Straßen und Plätze blockiert werden, auf der Wiese am Kanzleramt wird gecampt. Anders als bei früheren Demos, wo der Staat als Feind und die Polizei als Gegner begriffen wurde, verhalten sich die Extinction-Rebellen aber – zumindest vorgeblich – systemkonform. Das soll es dem System schwerer machen, mit Staatsgewalt vorzugehen. Die Rebellen haben zwar keine Bahnsteigkarte gekauft, aber eine „Rebellionsvereinbarung“ ins Internet gestellt. Sie sind generalstabsmäßig vorbereitet.

In vier Broschüren zum Rechtlichen wird den Demonstranten nahegebracht, wie sie sich absichern, wie sie am besten mit Polizisten reden, was sie sagen dürfen und was nicht, wie die Rechtslage beim Versammlungsrecht ist und wie man sich nach den Aktionen am besten verhält, wenn ein Ermittlungsverfahren läuft oder ein Strafbefehl ergeht.

„XR“, wie sich Extinction Rebellion abkürzt, will den Polizisten angeblich den „Spirit“ der Rebellion nahebringen. Schließlich seien auch die Polizisten vom Klimawandel betroffen. Die Zeiten, in denen offen für die gewaltsame Konfrontation gerüstet wurde, sind offenbar vorbei. Die Hinweise für den Umgang mit der Polizei lauten: „Ruhe bewahren! Höflich bleiben! Schweigen ist Gold! Nichts unterschreiben!“

In einer fünften Broschüre („Phone Lockdown“) wird genau geschildert, welche Daten Ermittler aus Handys ziehen können und allen Teilnehmern geraten, ohne oder mit einem bereinigten Handy zu kommen. Geworben wird für den Dienst „Briar“, um darüber die Kommunikation abzuwickeln.

Hier ein Überblick über die geplanten Aktionen und die Rechtslage.

Das Camp

Ab Freitag wird auf der Wiese neben dem Kanzleramt ein Zeltlager aufgebaut. Ob man auch im Schlaf demonstrieren kann, ist unklar, deswegen halten die Gerichte bisher still. Hier profitieren die Aktivisten von der Langsamkeit des Bundesverfassungsgericht, das noch nicht über das G20-Camp in Hamburg 2017 entschieden hat.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im G20-Eilbeschluss festgestellt, dass die Camp-Problematik „schwierige und in der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung ungeklärte Fragen“ aufwirft. Der Stadt Hamburg erlaubten die Richter, begrenzende Auflagen zu erlassen, um Schäden vom Stadtpark abzuwenden.

Am Pfingstwochenende kampierte die Initiative We4Future auf der Wiese südlich des Kanzleramts in Berlin, und das Oberverwaltungsgericht beschloss, das als Versammlung anzusehen, bis man Genaueres aus Karlsruhe gehört hat. Es ist deshalb davon auszugehen, dass das Camp stehen bleibt – zumal es niemanden behindert.

Die Blockade

Behindert werden insbesondere Autofahrer, vor allem durch die geplanten Straßenblockaden, die auf der Internetseite von XR angekündigt sind. Für den Fall, dass Polizisten die Straßen frei machen und Rebellen wegtragen, gibt es eine Handreichung von XR. Danach soll man respektvoll und mitfühlend mit den Polizisten sprechen, aber keinesfalls Namen nennen oder geplante Aktionen verraten.

In der 50-seitigen Rechtsbroschüre von XR werden Teilnehmer genauestens informiert, womit sie zu rechnen haben, sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Wer zivilen Ungehorsam leiste, müsse mit unangenehmen Reaktionen des Staates rechnen.

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Das Blockieren von Straßen ist Nötigung und als solche strafbar. „Wird eine Nötigung im Rahmen einer durch Art. 8 GG geschützten Versammlung begangen und steht mit dieser im Zusammenhang, dann wird die verursachte Störung gegen das Grundrecht auf Versammlung abgewogen“, steht da. Die Nötigung sei nur „verwerflich“ und damit strafbar, wenn nach Auffassung des Gerichts die Störung überwiegt.

Auch andere mögliche Straftatbestände werden erklärt: Landfriedensbruch, Widerstand, Sachbeschädigung. Der hohe Wert des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit ist den Aktivisten genau bewusst; sie beschäftigen zudem ein eigenes Juristenteam.

Maximale Störwirkung

Versammlungen müssen grundsätzlich vorher angezeigt werden. Wer allerdings spontan demonstriert, der braucht die Anmeldung nicht. Hat man vor, eine Stadt lahmzulegen, so ist es nicht ratsam, dies vorher bei der Polizei anzuzeigen, denn dann kann die Versammlungsbehörde Auflagen erlassen. Dann sind zum Beispiel Fahrspuren freizuhalten, um den Verkehr nicht zu behindern. XR hat keinen genauen Plan, welche Aktionen wann und wo stattfinden sollen, vermutlich aus genau diesem Grund.

Wer als Demonstrant mitmachen will, kann sich bei verschiedenen Messengerdiensten im XR-Kanal anmelden und bekommt die Informationen dann kurzfristig. So kann es immer noch nach „Spontan“- oder „Eildemo“ aussehen. Das zielt auf maximale Störwirkung. So steht es auch im Demo-Aufruf: „Wir stören den alltäglichen Betriebsablauf.“

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