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Berlin: Benjamin Franklin verliert vorklinische Ausbildung

Theoriekurse nur noch an der Charité in Mitte. Wissenschaftler befürchten: Senat will Uniklinikum in Steglitz schließen

Berlins Medizinstudenten sollen im ersten Teil ihres Studiums nur noch in Mitte ausgebildet werden. Die vorklinische Ausbildung in Dahlem, die zum Charité-Campus Benjamin Franklin gehört, wird eingestellt. Das beschloss gestern der Senat auf Vorschlag von Wissenschaftssenator Flierl und Finanzsenator Sarrazin. Damit setzt der Senat einen Beschluss der Charité-Leitung aus, Theoriekurse an beiden Standorten weiterzuführen. Betroffen sind unter anderem die Institute für Biochemie, Physiologie und Toxikologie.

„Diese Entscheidung entspricht nicht dem Votum der Charité-Gremien und des Aufsichtsrates“, kommentierte Charité-Chef Detlev Ganten den Beschluss. Der Vorstand werde alles tun, damit die guten Beziehungen zum Biocampus Dahlem bestehen bleiben. „Und wir gehen fest davon aus, dass am universitären Status des Klinikums Benjamin Franklin als Teil der Charité nicht gerüttelt wird.“ Das hatte der Senat in seiner gestrigen Erklärung versprochen. Mit der Konzentration an einem Standort könnten 7,3 Millionen Euro eingespart werden, hieß es.

Axel Pries, Direktor am Institut für Physiologie am Campus Benjamin Franklin, nennt den Beschluss „ein katastrophales Zeichen für die Wissenschaftslandschaft Berlin, für die Hochschulautonomie und die Entwicklungsmöglichkeiten der Charité“. Nachdem 2002 eine Expertenkommission zwei Vorklinik-Standorte als notwendig für die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der Charité bezeichnet habe, sei die Entscheidung des Senats nicht nachzuvollziehen. Das Aus für die Vorklinik sei ein weiterer Schritt in der „Salamitaktik“ des Senats, die zur Schließung des Steglitzer Klinikums führen solle. Pries, einer der Unterzeichner eines kürzlich veröffentlichten offenen Briefes gegen die Schließung der Vorklinik, warnt vor den Folgen: „Wenn der Standort geschlossen wird, ist die Charité nicht mehr überlebensfähig.“ Dem Uniklinikum würde dann ein Drittel der Patienten fehlen. Bedroht sei auch der Biocampus Dahlem, mit dem die Freie Universität in den Exzellenzwettbewerb unter den deutschen Hochschulen zieht.

Dass die Umwandlung des Steglitzer Klinikums in ein städtisches Krankenhaus mit dem Senatsbeschluss wieder „neue Aktualität“ bekommt, glaubt auch Manfred Dietel, ehemaliger Dekan und ärztlicher Direktor der Charité. Die Charité würde dadurch allerdings nicht zwangsläufig geschwächt. Jetzt müsse vielmehr dafür gesorgt werden, die herausragenden Wissenschaftler in Mitte zu konzentrieren und die teuren und neuen Geräte an den Charité-Campus in Mitte zu holen. „Letztendlich muss es zu einer Stärkung von Wissenschaft und Lehre an der Charité führen“, sagte Dietel.

Martin Vingron, Direktor am Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik, kritisiert dagegen den Senatsbeschluss scharf: „Wenn die Studenten nicht mehr nach Dahlem kommen, ist das bitter.“ Der Beschluss bedeute eine „enorme Schwächung“ des Dahlemer Campus, weil man bisher gut mit den Wissenschaftlern der Vorklinik zusammengearbeitet habe. „Wo in Deutschland gute Forschung gemacht wird, arbeiten Universitäten und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen eng zusammen – also zum Beispiel in Heidelberg und bei uns in Dahlem“, sagte der Wissenschaftler. Anstatt gute Standorte zu stärken, mache die Politik sie kaputt. -ry, tiw, wez

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