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Berlin: Beobachtung rund um die Uhr: BVG startet Video-Versuch

Datenschützer Dix bezweifelt, dass die Überwachung Straftaten verhindert. Außerdem kritisiert er das Akkreditierungsverfahren zur Fußball-WM

Ab 1. April, Punkt null Uhr, laufen bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Kameras. Drei Berliner U-Bahnlinien werden videoüberwacht, um die Fahrgäste vor Kriminalität zu schützen. Auf den Bahnhöfen wird künftig nicht nur gefilmt, sondern auch aufgezeichnet – und zwar rund um die Uhr. Zunächst gilt die Videoüberwachung auf der U 2, U 6 und U 8 nur als Versuch, befristet auf ein Jahr. Während die BVG die Kameras danach am liebsten auf allen neun U-Bahnlinien einschalten will, bezweifelt Berlins oberster Datenschützer, dass mit der Videoüberwachung tatsächlich Straftaten verhindert werden können. „Ich betrachte den Versuch als bewusst offenes Projekt“, sagte Alexander Dix, als er gestern seinen „Jahresbericht 2005“ vorstellte. Deshalb werde seine Behörde einer flächendeckenden Überwachung bei der BVG nur zustimmen, wenn die Sicherheit auf den drei Versuchslinien nachweisbar steige.

Videoüberwachung – das ist ein Thema, das die Datenschützer im vergangenen Jahr immer wieder beschäftigt hat. Bei der Bahn, in Wohnanlagen und auf der Straße. Teilweise handele es sich dabei um „massive Eingriffe“ in die Privatsphäre, sagt Dix. „Das jüngste Beispiel von Bundeskanzlerin Merkel zeigt, dass die Videokameras immer zudringlicher werden.“ Derzeit ermittelt das Bundeskriminalamt, weil eine Überwachungskamera am Pergamonmuseum Bilder aus Merkels Privatwohnung geliefert hatte. Sicherheitsleute hatten berichtet, dass auf dem Monitor deutlich Merkels Ehemann zu erkennen war.

Jahrelang hatten sich auch BVG und Datenschutz um die Kameras gestritten. Rückenwind hatte das Unternehmen dann von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nach spektakulären Straftaten in U-Bahn und Bussen bekommen. Als nach einem tödlichen Messerstich auf einen 18-Jährigen kurz vor Weihnachten bekannt wurde, dass die Bilder in Bussen bereits nach sechs Minuten überspielt werden, hatte Körting ein erstes Machtwort gesprochen und der BVG auch in Bussen die 24-Stunden-Speicherung erlaubt. Dix bereitet die Entwicklung Sorge. Was die Kameradichte in der Stadt betrifft, könne sich Berlin inzwischen an dem Vorreiter London messen, sagt er – und warnt:. „Wir sollten uns sehr genau überlegen, in was für einem Land wir leben wollen.“

Rechtlich zweifelhaft ist aus Sicht des Datenschutzbeauftragten auch das Akkreditierungsverfahren für bundesweit rund 250 000 Mitarbeiter zur Fußball-Weltmeisterschaft. Dass neben der Polizei auch der Verfassungsschutz einbezogen sei, um Reinigungsfirmen, Sanitäter, Journalisten, Würstchen- und Zeitungsverkäufer zu überprüfen, sei problematisch. „Die Gefahrenabwehr ist eine klassische Aufgabe der Polizei und nicht des Verfassungsschutzes“, sagte Dix. Deshalb könne auch nicht die Einwilligung der Betroffenen „das Verfahren retten“.

„Eine Reihe offener Fragen“ sieht Dix auch noch bei der geplanten Videoüberwachung auf der WM-Fanmeile am Brandenburger Tor. Er habe zu den Kameras und Leinwänden bereits bei Innensenator Körting nähere Informationen eingefordert. Körting hatte angekündigt, dass der Veranstalter die Videoüberwachung im Rahmen seines Hausrechts wahrnehme. Dix sagt: „Es muss jetzt geprüft werden, ob auf den privaten Veranstalter der Meile Befugnisse verlagert werden sollen, die die Polizei nicht hätte.“

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