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BER-Drama und kein Ende: Tegel ist wieder im Angebot

Der neue BER-Chef Hartmun Mehdorn hat an ein Tabu gerührt: Tegel soll zumindest teilweise offen bleiben. Wie wahrscheinlich ist ein Weiterbetrieb des Flughafens?

Alles schien so klar: Der Flughafen Tegel würde ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme des neuen Großflughafens BER geschlossen, die Anwohner vom Fluglärm entlastet. Doch mit seinen Äußerungen hat der neue Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn nun alles wieder infrage gestellt.

Ist aus juristischer Sicht ein Weiterbetrieb von Tegel überhaupt möglich?

In seinem, den Bau des Flughafens BER bewilligenden Urteil vom März 2006 hält das Bundesverwaltungsgericht fest: „Es liegt ... auf der Hand, dass ein internationaler Verkehrsflughafen, der alle Verkehrssegmente auf einen einzigen Standort konzentriert, in Hinblick auf den Umsteigerverkehr ... ungleich attraktiver und restriktionsfreier ist als ein Flughafensystem, dessen Standorte über den Stadtbereich und etwaige weitere Standorte im Umland verstreut liegen. ... Nicht in Abrede stellen lässt sich, dass unter Sicherheitsgesichtspunkten Wohnflächen in der dichter besiedelten Umgebung der beiden innerstädtischen Flughäfen in erheblich größerem Umfang als am Standort Schönefeld gefährdet sind, das Gruppenrisiko wegen der geringeren Siedlungsdichte am Flughafen Schönefeld also deutlich sinken wird.“

Schon im „Planfeststellungsbeschluss Ausbau Verkehrsflughafen Berlin-Schönefeld“ vom August 2004 wird in der „Planrechtfertigung“ das Vorhaben mit der Schließung von Tempelhof und Tegel begründet. Der Bau sei „vor dem Hintergrund des wachsenden Verkehrsbedarfs und der Schließung der innerstädtischen Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof durch die Zielsetzungen des Luftverkehrsgesetzes gerechtfertigt und vernünftigerweise geboten“.

Die Ausbauplanung stelle sicher, dass „nach Abschluss des Ausbaus des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld die innerstädtischen Flughäfen Berlin-Tegel und Berlin-Tempelhof geschlossen werden (Ersetzungsfunktion) und dadurch dort a) eine weitgehende Verringerung der Umweltbelastung der dicht besiedelten Flughafenumgebung erreicht und b) das aus der dichten und weitgehend lückenlosen Bebauung in den An- und Abflugbereichen resultierende erhöhte Sicherheitsrisiko reduziert wird“.

Mehdorn sieht eine Zukunft für Tegel als Flugplatz für Chartermaschinen.

Alles schien so klar: Der Flughafen Tegel würde ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme des neuen Großflughafens BER geschlossen, die Anwohner vom Fluglärm entlastet. Doch nun steht alles in Frage.
Alles schien so klar: Der Flughafen Tegel würde ein halbes Jahr nach Inbetriebnahme des neuen Großflughafens BER geschlossen, die Anwohner vom Fluglärm entlastet. Doch nun steht alles in Frage.

© dpa

Mehdorn sieht eine Zukunft für Tegel als Flugplatz für Chartermaschinen. Wie sinnvoll wäre das?

Die klassischen Charterflüge gibt es kaum noch. Dass Reiseveranstalter ein komplettes Flugzeug chartern, ist heute eher die Ausnahme. Meist sichern sie sich nur Teilkontingente auf Maschinen von Fluggesellschaften, die ihrerseits auch Einzelplätze auf den jeweiligen Flügen verkaufen. Oder sie buchen ihre Passagiere gleich auf normale Linienflüge. So sind die Grenzen verwischt, nicht erst seit der Übernahme des Ferienfliegers LTU durch die Air Berlin. Die meisten Urlauber, die vom Flughafen Tegel aus auch im kommenden Sommer in die Ferien starten, werden dies mit der Air Berlin, die einst selbst eine reine Charterfluggesellschaft war, oder mit der Lufthansa tun, die inzwischen auch zahlreiche touristische Ziele ansteuert.

Größter Ferienflieger in Berlin ist die zur Thomas-Cook-Gruppe gehörende Condor, die ihre in Schönefeld beheimatete Tochter Condor Berlin, von der bisher die Kurzstreckenflotte betrieben wird, gerade auflöst und in die Frankfurter Muttergesellschaft integriert. Konkurrent TUIfly ist dagegen in diesem Sommer nicht in Berlin vertreten.

Mehdorn argumentierte, Chartermaschinen würden ja ohnehin nicht nachts fliegen. Aber Condor bietet zum Beispiel im Sommer ab Schönefeld 34 wöchentliche Flüge zu 14 Zielorten an und ist dabei durchaus auch nachts unterwegs. Da am alten Flughafen Schönefeld kein Nachtflugverbot besteht, starten diverse Maschinen morgens bereits um 5.30 Uhr, die letzten kehren um 23.30 Uhr zurück. Noch später sind in Schönefeld türkische Gesellschaften unterwegs.

Auch die Geschäftsflieger befürchten, dass es am neuen Flughafen BER eng für sie werden wird. Zwar bleibt das alte General Aviation Terminal in Schönefeld bestehen, doch dürfte es bei einer Verlegung des gesamten Berliner Flugverkehrs zum neuen Flughafen dort schwierig werden, die notwendigen Slots für Start und Landung zu erhalten. Auch bei den Abstellplätzen könnte es eng werden.

Kleinere Maschinen können zwar die Flugplätze in Strausberg und Schönhagen nutzen, doch für die großen Langstrecken-Businessjets sind dort die Pisten zu kurz. In Luftfahrtkreisen mehren sich die Stimmen, die befürchten, dass dem Berliner Flugverkehr der Kollaps droht, wenn Tegel nicht zumindest bis zur zweiten Ausbaustufe des BER für bestimmte Verkehrszweige offengehalten wird.

In der Berliner Politik gilt der Weiterbetrieb von Tegel als ausgeschlossen.

Wie steht die Politik zu Mehdorns Äußerungen?

In der Berliner Politik gilt der Weiterbetrieb von Tegel als ausgeschlossen: „Das hat rechtlich keine Chance“, sagte Senatssprecher Richard Meng und verweist darauf, dass die Schließung Tegels von Anfang an Rechtsgrundlage für den BER gewesen sei. Auch Reinickendorfs Bezirksbürgermeister Frank Balzer (CDU) sagt: „Es müsste ein völlig neues Planfeststellungsverfahren für Tegel eröffnet werden.“ Eine neue Genehmigung für Flugbetrieb in Tegel sei völlig unrealistisch. Wichtiger sei, die Chancen für den Bezirk durch die Schließung von Tegel zu nutzen. Schon jetzt nehme die Nachfrage nach Wohnungen in Teilen Reinickendorfs und Wittenaus zu, speziell nach Dachgeschossen. Die Verkehrspolitiker verweisen ebenfalls auf den Planfeststellungsbeschluss und darauf, dass Mehdorn eben gleich gezeigt habe, dass er nicht nur BER-Chef ist, sondern Geschäftsführer der Flughafengesellschaft FBB. Als solcher habe er ein Interesse an der Offenhaltung Tegels.

In Alt-Schönefeld wird der Bund seine Flugbereitschaft stationieren. Dafür wird das jetzige Terminal A zunächst umgebaut werden. Bis die Flugbereitschaft der Bundeswehr komplett von Köln/Bonn nach Berlin umziehen kann, dauert es aber noch. Denn auch das hängt von der BER-Eröffnung ab. „Wir gehen davon aus, dass die militärische Infrastruktur, die für den Umzug notwendig ist, bis 2017 fertig sein wird“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Ein Teil ist aber schon jetzt in Berlin – die Hubschrauber-Staffel. Die hat ihre technisch-logistische Basis schon jetzt in Tegel. „Und solange Tegel offen ist, wird die auch dort bleiben“, sagte der Sprecher.

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