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Wer übernimmt die Verantwortung? Im Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft werden jetzt Posten verschoben.

© dpa

Aufsichtsratschef des BER: Platzeck bietet Nachfolge und sucht Vertrauen

Nachdem der Eröffnungstermin des Hauptstadt-Flughafens schon wieder geplatzt ist, gibt Wowereit seinen Posten als Aufsichtsratschef des BER ab. Platzeck will’s machen – hat aber noch eine Hürde zu nehmen.

Kein umfassender Rücktritt, eine berlin-brandenburgische Flughafen-Rochade: Matthias Platzeck statt Klaus Wowereit. Jetzt soll Brandenburgs SPD-Ministerpräsident den Vorsitz des Flughafen-Aufsichtsrates übernehmen, den Berlins Regierender als Konsequenz aus der erneuten Verschiebung der BER-Eröffnung niederlegt. Zudem soll der umstrittene Flughafen-Manager Rainer Schwarz nun doch seinen Stuhl räumen. Das gab Wowereit am Montag vor Journalisten im Roten Rathaus bekannt. Regierender Bürgermeister und auch Mitglied im Aufsichtsrat will Wowereit aber bleiben. Platzeck war dort bislang sein Vize.

Der Stabwechsel soll auf einer vorgezogenen Sitzung des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft, die Berlin, Brandenburg und dem Bund gehört, am 16.Januar vollzogen werden. Dass Platzeck dort Wowereit beerbt, der Vorsitz des Kontrollgremiums nicht von einem unabhängigen Experten übernommen wird, wie es etwa der brandenburgische SPD-Bundestagsabgeordnete Peter Danckert fordert, löst in Berlin, Brandenburg, aber auch in der Bundespolitik massive Entrüstung aus. Wowereit sagte dazu, er würde das „nicht Taschenspielertrick nennen“. Platzeck verteidigte am Abend den Schritt - und kündigte an, auf der nächsten Plenarsitzung des Landtages die Vertrauensfrage zu stellen. Regulär wäre das am 23.Januar. Die Opposition aus CDU, Grünen und FDP will aber eine Sondersitzung beantragen. Angesichts der sicheren Mehrheit der rot-roten Koalition gilt als sicher, dass Platzeck die Vertrauensfrage übersteht. Bislang hatte Brandenburgs Regierungschef das BER-Debakel im Gegensatz zu Wowereit fast unbeschadet überstanden. Er hatte sich auch – ähnlich wie Wowereits Stellvertreter im Senat, Innensenator Frank Henkel (CDU) – geschickt im Hintergrund hinter Wowereit gehalten. Berliner Verhältnisse sind in Brandenburg, wo die SPD trotz Flughafen-Desaster nach einer Forsa-Umfrage vom Dezember 2012 bei 36 Prozent liegt, nicht in Sicht.

Während deshalb auch im rot-roten Potsdamer Bündnis weitgehend Ruhe herrscht, knirscht es in der Berliner Koalition. Am Montagabend traf sich der Koalitionsausschuss von SPD und CDU im Abgeordnetenhaus. Seine Partei habe „erheblichen Informations- und Gesprächsbedarf“, sagte CDU-Fraktionschef Florian Graf.

Die rot-schwarze Koalition zeigt sich nach der Tagung geschlossen. „Wir sind uns einig, dass wir zur großen Koalition stehen“, sagte CDU-Fraktionschef Florian Graf am Montagabend nach einer knapp zweistündigen Sitzung des Koalitionsausschusses im Abgeordnetenhaus. Sein SPD-Kollege Raed Saleh ergänzte mit Blick auf den geplanten Misstrauensantrag der Grünen gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD): „Ich gehe davon aus, dass die SPD-Fraktion und die Koalition dem Regierenden Bürgermeister das Vertrauen aussprechen.“ Beide Fraktionen verlangen allerdings Korrekturen bei der Besetzung des Aufsichtsrates und der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft. Über den BER will die Union auch an diesem Dienstag auf einer Sondersitzung debattieren. Beiden Partnern ist klar, dass durch die Mehrkosten wohl andere Projekte aufs Eis gelegt werden – etwa die Landesbibliothek, für die 270 Millionen Euro eingeplant sind.

Auf diplomatische Wortwahl legte Frank Henkel, der Berliner CDU-Parteichef, Innensenator und Bürgermeister, am Montag keinen Wert mehr. „Stinksauer“, nicht nur fassungslos sei er ob der „Desinformationspolitik“ bei der desaströsen Großbaustelle BER, ließ er verlauten. „Es tut mir leid, dass nicht alle rechtzeitig informiert wurden“, sagte Wowereit auf Henkels Kritik, erst am Sonntagabend aus den Medien von der Verschiebung erfahren zu haben. Henkel sitzt wie der Regierende Bürgermeister im BER-Aufsichtsrat. Erst nachdem am Sonntag bekannt geworden war, dass der Eröffnungstermin auch 2013 nicht mehr zu halten ist, haben beide dem Vernehmen nach telefoniert. Stillschweigen wurde vereinbart. Zwar beeilten sich CDU-Granden wie der Reinickendorfer CDU-Chef, Landesvize und Bundestagsabgeordnete Frank Steffel zu betonen, dass die CDU „koalitionstreu“ sei und alles eine „Sache der SPD“. Doch auch in der Union war die Unruhe am Montag deutlich spürbar.

Am Morgen trafen sich Generalsekretär Kai Wegner und Fraktionschef Florian Graf mit Henkel. Um 12 Uhr saß Henkel mit den CDU-Senatoren zusammen und um 13.30 Uhr folgte eine Telefonkonferenz zwischen Fraktions- und Landesvorstand. Auch wenn Henkel im Gegensatz zu Wowereit nicht aktuell ums politische Überleben kämpft, ist das Schicksal der Berliner Union untrennbar damit verknüpft. Denn Neuwahlen will die Berliner Union nicht. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse wären die Chancen viel zu unsicher, wieder mitregieren zu können, noch dazu im Bundestagswahljahr.

Für Platzeck ist die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes – eineinhalb Jahre vor der Landtagswahl 2014 in Brandenburg – riskant. Ihm sei bewusst, dass er auch als bisheriger Vize Verantwortung getragen habe, sagte Platzeck. „Ich knüpfe mein Schicksal an den Flughafen. Das ist so, und das will ich“. Als designierter Wowereit-Nachfolger auf diesem Posten stellte er erste Grundzüge seiner Agenda vor. Zum einen kündigte er „klarere Zuständigkeiten“ in der künftigen Geschäftsführung – ohne Flughafen-Manager Rainer Schwarz – an. Er werde vorschlagen, dass diese „einen klaren Vorsitzenden und zwei weitere Mitglieder“ hat. Gemeint ist neben Technik-Chef Horst Amann ein neuer Finanzvorstand, nach dem bereits gesucht wird. Schwarz hatte sich bisher darauf zurückgezogen, dass er lediglich „Sprecher“ der Geschäftsführung sei. Zum anderen plädiert Platzeck für externe Sachverständige im Aufsichtsrat und will als Chef „ein eigenes Berichtssystem“ einführen. Ziel müsse ein Flughafen sein, „der genehmigungsfähig“ ist, „ohne Provisorien“, sagte Platzeck, der selbst von einem „Desaster“ sprach. Wie Wowereit lehnte er es ab, einen neuen Eröffnungstermin zu nennen. Denn Amann habe weit größere Probleme auf der Baustelle festgestellt als befürchtet. So sei bei der Öffnung von Decken festgestellt worden, dass verlegte Leitungen nicht isoliert waren. Nach Tagesspiegel-Informationen fehlt bei rund 60 Kilometern Kühlleitungen die Isolierung.

Die Ereignisse des Tages können Sie hier in unserem Live-Ticker vom 7. Januar nachlesen.

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