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Er kann auch Milde: Flughafenchef Hartmut Mehdorn.

© Thilo Rückeis

Update

BER-Chef bei der IHK: Hartmut Mehdorn und der Preis der Demokratie

Bei seiner ersten große Rede verteidigt Flughafenchef Mehdorn die Politiker – und präsentiert sich als Freund der Bürgerbeteiligung. Bezüglich der Verzögerungen beim Bau des Großflughafens nimmt er die Politik in Schutz - uns spricht von einem "Aufschlag, den wir für Demokratie bezahlen".

Hartmut Mehdorn mag das Format. Das „Wirtschaftspolitische Frühstück“ der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) bedeutet für ihn: Heimspielatmosphäre, 300 geladene Gästen aus Wirtschaft und Politik, darunter viele Herren, ein paar Damen, von denen er sich verstanden fühlt. Wenige Querulanten. So war Hartmut Mehdorn am Montag schon zum vierten Mal Gastredner dieser Veranstaltungsreihe. Als Bahn-Chef war er schon da, vor gut einem Jahr als Air-Berlin-Chef – was den Zuhörern damals großen Unterhaltungswert bot – und nun eben als Chef der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, man könnte auch sagen: als BER-Chef.

Es war nach gut 100 Tagen im Amt seiner erste Rede in einer größeren Öffentlichkeit. Bisher hatte sich Mehdorn nur den Fragen von Mitgliedern des Abgeordnetenhauses, des Potsdamer Landtages und des Bundestages gestellt und ihnen erklärt, wie er sich den Fortgang auf Deutschlands größter Krisenbaustelle in Schönefeld vorstellt. Da hatte er auch immer wieder gegen Politiker geschossen, stellte sogar seine Kontrolleure bloß, die Aufsichtsräte Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD). Wer mehr davon erwartete, wurde enttäuscht. Mehdorn war aufgeräumt, seine Rede milde im Ton – und doch für manche Ohren ungeheuerlich. Mehdorns These: Nicht die Politiker sind verantwortlich, wenn Großprojekte wie BER, Elbphilharmonie oder Stuttgart21 stocken, sondern die Bürger. Oder zumindest die Demokratie. Damit also wir alle – aber niemand konkret.

„Das ist der Aufschlag, den wir für die Demokratie bezahlen."

„Ein Großprojekt hat zunächst einmal einen Preis an sich. Aber das ist nicht die ganze Wahrheit“, sagte Mehdorn. Man zahle auch einen Aufpreis für Demokratie – Prüfverfahren, Proteste, politische Macht- und Interessenwechsel. Dadurch entstünden Verzögerungen und Mehrkosten. „Das ist der Aufschlag, den wir für die Demokratie bezahlen. Ein in vielerlei Hinsicht schmerzvoller und teurer Aufpreis. Aber wir können dennoch froh sein, dass wir ihn zahlen dürfen“, fuhr er fort. „Denn nur so wissen wir – hoffentlich, dass das, was wir bauen, am Ende von der Gesellschaft gewollt und akzeptiert wird.“

Die Wirtschaft müsse lernen, gab der 70-Jährige seinen Zuhörern den Rat, diese Mehrkosten für Bürgerbeteiligung von Anfang an einzurechnen. Früher habe man Projekte irgendwo in einem Rathaus getroffen und ans Schwarze Brett gehängt, wo es dann nur Bürger, die zu viel Zeit haben, mitbekommen hätten. „Das geht so heute nicht mehr.“ Das müsse man akzeptieren.

Vor dem Hintergrund würde Vorwürfen, wie jüngst vom Bund der Steuerzahler erhoben zu kurz greifen. „Die Leute sind immer happy, wenn sie einen Schuldigen haben“. Tatsächlich aber beweise die Politik beim BER „große Kontinuität“. Sie habe im Jahr 1996, als die größte Nach-Wende-Euphorie bereits verflogen sei, richtigerweise gegen den Bau eines Riesenflughafens im fernen Sperenberg entschieden und für einen „mittelgroßen Flughafen“ in Schönefeld. Der sei im übrigen auch nicht zu klein, wie oft behauptet werde. „Das, was wir gebaut haben, reicht noch bis zum Jahr 2025, wenn nicht noch weiter.“ Mehdorn argumentierte, dass am Flughafen Tegel heute sieben mal so viel Passagiere im Jahr abgefertigt werden, wie bei der Eröffnung 1974 vorgesehen.

Verständnis für die politischen Vertreter im Aufsichtsrat

Mehdorn zeigte Verständnis für die politischen Vertreter im Aufsichtsrat. Mit Platzeck, Wowereit und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) führe er einen „offenen Dialog"“. „Dass die Gesellschafter mit einem gewissen Misstrauen auf die Flughafengesellschaft blicken, ist klar.“ Die habe in der Vergangenheit Vertrauen verspielt.

Zum Thema Lärmschutz und Flugrouten sagte Mehdorn, er würde sich persönlich für den Lärmschutz einsetzen, „weil ich der Überzeugung bin, dass die Industrie Verantwortung hat und übernehmen muss für den Lärm, der entsteht, und alles dafür tun muss, Lärm in der ersten Phase zu vermeiden“. Aber danach, wenn das nicht weiter gehe, müsse man die Anwohner so gut es geht davor schützen. Mit dem jüngsten Urteil des Landesverwaltungsgerichtes Berlin Brandenburg seien die Lärmschutzwerte so streng geworden, dass sie für einen Großteil der Anwohner gar nicht realisierbar seien. „Es kann uns als Flughafengesellschaft also schlimmstenfalls passieren, dass der Anwohner einfach die ihm zuständige finanzielle Entschädigung nimmt, ohne Schallschutzmaßnahmen zu verwirklichen. Das Lärmproblem wäre nicht gelöst, der Ärger aber bliebe“, sagte Mehdorn.

Erneutes Werben für Schrittweise BER-Eröffnung

Mehdorn warb erneut dafür, den BER in Schritten zu öffnen und den Standort Tegel vorläufig weiterzubetreiben, auch wenn dies gegen den geltenden Planfeststellungsbeschluss sprechen möge. In dem Punkt nahm er die Politik in die Pflicht, die die damals gefallene Entscheidung den heute geltenden Umständen anpassen müsse. „Keine Hauptstadt der Welt muss mit nur zwei Landebahnen auskommen“, behauptete er. Berlin dann aber schon. Wenn eine der beiden Start- und Landebahnen am BER „einen Plattfuß habe“, müsse man sehen, wohin man den Verkehr umleite. Dann müsse man womöglich einen Vertrag mit dem Flughafen Leipzig machen, warnte er. Aus eigenem Interesse müssten Politik, Wirtschaft und Bürger an einem Erfolg des Flughafens hoffen. Denn: „Niemand braucht einen internationalen Flughafen in Berlin. Wir sind austauschbar.“ Theoretisch könnten die Verkehrsströme auch über Kopenhagen, Frankfurt am Main oder eben Leipzig abgewickelt werden. Berliner müssten dann automatisch umsteigen.

Auf die Frage, ob es auch weiter die traditionsreiche Internationale Luftfahrtausstellung Ila stattfinden könnte, wenn Berlin irgendwann nur noch einen Flughafen hat, zögerte Mehdorn, sagte dann aber: „Ich denke, es wird gehen“.

„Der BER wird ein Schmuckstück. Wir machen jetzt fertig“, rief Mehdorn den Gästen schließlich zu – und bekam dafür, wie in den Jahren zuvor: Applaus.

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